Pianistisches Feuerwerk mit Nikolai Tokarev

Wuppertal. Nikolai Tokarev liebt den neuen Blick auf Altbekanntes. So waren die Werke beim Konzert des Bayer-Klavierzyklus´ in der Stadthalle zwar durchweg geläufige, aber in frischen und ungewöhnlichen Bearbeitungen und vom Tasten-Virtuosen brillant dargebotene.

Nur die beiden Ravel-Werke waren Originales für Klavier - auch diese höchst perfekt gespielt. Im "Gaspard de la nuit" entfaltet Tokarev die geisterhaften Gestalten: Versonnen und poetisch die plätschernden Wellen der "Undine", die suggestiv klopfenden Glockenschläge im "Le Gibet (Der Galgen)".

Den gnomhaften Klopfgeist in "Scarbo" gibt der Pianist fast selbst, der mit gekrümmter Haltung in der Tastatur zu verschwinden scheint. In Grigory Ginsburgs Transkription von Edvard Griegs "Peer Gynt" gewinnt Tokarev sogar der überschäumenden Mazurka dämonische Züge ab, und Peter Pabsts Fantasie über Tschaikowskys Oper "Pique Dame" wandelt zwar klanggewaltig auf Liszt´schen Spuren, die jedoch mit romantisch-verklärendem Überschwang und neckisch Verspieltem herrliche Kontraste schaffen.

In der finalen Fantasie über das Ballett "Schwanensee", von Alexander Rosenblatt eigens für den Pianisten geschrieben, ist Tokarev in seinem Element: Durchaus ironisch paraphrasiert der Komponist die romantische Musik. Tokarev lässt Rhythmen und Taktmaße stolpern und Karussell fahren, lässt Töne wie auf Spitze tanzen und weiche Pirouetten drehen. Dann aber packt ihn unbändige Spiellust und die jazzigen, an Gershwin erinnernden hüpfenden und swingenden Weisen brechen dem verklärenden Schwanentanz glatt die Spitze ab. Zu Recht ist das Publikum im nahezu voll besetzten Mendelssohn-Saal von diesem pianistischen Feuerwerk hingerissen. vp