Wuppertaler Kulturkolumne Das Kämpfen um Etats und die Freie Szene

Kolumne | Wuppertal · Berlin, Wuppertal und auch Köln müssen gerade mit vermutlich bevorstehenden Etatkürzungen kämpfen. Warum eine Stadt den Wert einer selbstorganisierten Freien Szene nicht erkennt, bleibt ein Rätsel. Die Kolumne des freien Netzwerks Kultur.

Aenne Lowisch

Foto: Amira Toleimat

Berlin, Wuppertal und auch Köln müssen gerade mit vermutlich bevorstehenden Etatkürzungen kämpfen, die die Freie Szene im schlechtesten Fall zu erwarten hat. Warum eine Stadt den Wert einer selbstorganisierten, gut vernetzten Freien Szene für sich nicht erkennt, bleibt mir im Moment ein Rätsel. Auf der Demonstration gegen die geplanten Kürzungen in Köln wurde mehrfach erwähnt, dass die Freie Szene jetzt schon nur fünf Prozent des Etats erhält, jedoch 80 Prozent des Kulturangebots vor Ort organisiert. Doch was genau meint der Begriff „Freie Szene“? Beim Eingeben eines kurzen Google-Prompts, kommen mir direkt Schlagworte wie selbstbestimmt, unabhängig und nicht-kommerziell entgegen. Auch wird von der Kulturarbeit als politisches und gesellschaftliches Aktionsfeld gesprochen, welches nicht hierarchisch aufgebaut ist. Hier hat sich der Begriff „Offspace“ etabliert, und ja, auch ich finde, es ist eine treffende Umschreibung für solche Orte, die eben (unetablierte) zeitgenössische Kunst zeigen. Meist in zwischengenutzten Räumen, die dafür keineswegs gedacht waren. Ich bin in einer Künstlerfamilie groß geworden, die genau diesen Wert des Freiraums im Leerstand intensiv erforscht hat, denn wir sind selbst ein Teil dieser Subkultur. Die zehn Jahre, die die Kunststation Wuppertal am Bahnhof Vohwinkel bestand, habe ich erst passiv, dann aktiv verfolgt und zum Schluss auch mitgestalten dürfen, mit der Ausstellung „Kurz vor dem Boden der Tatsachen“ von Joshua Behr. Jetzt in Köln, ergeben sich auch dadurch neue Möglichkeiten für mich. Seit diesem September bin ich zum Beispiel im Kuratorium der Simultanhalle, einem von einem wechselnden Kuratorium bespielten Kunstverein in der Peripherie. Ab Mai 2025 lohnt es sich auch, aus Wuppertal eine kleine Reise dorthin, nach Köln-Volkhoven, zu planen. Wer sich lieber in der Wuppertaler Kulturlandschaft aufhalten möchte, findet über Instagram ein wunderbares Projekt. Der „talticker“ wird Anfang Dezember seinen Release feiern und ermöglicht uns online über linke Politik und Subkultur zu informieren und informiert zu werden. Auf der neuen Website werden Daten von Lesungen, Konzerten, Standorten und Initiativen zusammengetragen, die uns die heterogene Wuppertaler Freie Szene noch einmal auf eine ganz neue Art nahebringt. So viel zum Mehrwert einer Selbstorganisation. Selbstorganisation in der Freien Szene ist existenziell, diesen Fakt vergisst die Kulturpolitik einer Stadt manchmal. Etwas im Kollektiv, ohne große Institutionen zu organisieren, bietet inhaltlich Freiheiten und deshalb bitte ich darum, gegen Etatkürzungen der freiwilligen Leistungen in ganz NRW auf die Straße zu gehen, denn Geld für unsere „freiwillige Leistung“ brauchen wir. Gerade weil wir uns selbstorganisieren und Orte für ein größeres Publikum zugänglich machen. Zu viele Türen bleiben noch verschlossen, das müssen wir gemeinsam als Kulturarbeitende ändern, und zwar heute und nicht morgen. Das haben wir in der Kunststation getestet und auch in der Simultanhalle ist das für die nächste Season unser großes Ziel. Und, an die etablierten Leute in der Stadt: Viele Menschen in meiner Bubble machen sich seit Jahren stark für innovative Projekte, probieren sich in neuen Formaten aus und haben den Fuß schon in der Tür. Also: Habt keine Angst in einen offenen Dialog mit uns zu treten. In einen Dialog, in dem konstruktive Kritik, Problematisierung der heteronormativen Verhältnisse und gendergerechte Sprache ganz oben auf der Tagesordnung stehen.