Begrabt mein Herz in Wuppertal Uwe Becker berichtet von seiner Wahrnehmung der Welt mit Hörhilfe

Wuppertal · Das Leben ist wieder bunt und laut.

Uwe Becker, 1954 in Wuppertal geboren, ist Chefredakteur des Wuppertaler Satiremagazins Italien und Mitarbeiter des Frankfurter Satiremagazins Titanic. Jeden Mittwoch schreibt er in der WZ über sein Wuppertal.

Foto: Joachim Schmitz

Mit meinen neuen Hörhilfen erschrecke ich mich häufig. Neulich krachte mit einem Höllenlärm meine Nähnadel zu Boden, die mir beim Einfädeln aus der Hand glitt. Aber auch den leisen Gesang der Flöhe kann ich nun deutlich vernehmen, wenn nicht gerade welche dabei sind, die husten müssen. Sicher können Sie sich vorstellen, dass ich dachte, die Welt zerbricht in zwei Teile, als mein Bügeleisen neulich vom Brett fiel. Ich habe Wochen gebraucht, um mich von diesem entsetzlichen Krach zu erholen. Jahrelang habe ich nur vermutet, dass ich irgendwas gehört oder verstanden habe, jetzt höre ich fast so gut wie eine Fledermaus und kann hochfrequentierte Töne bis zu 200 000 Hertz wahrnehmen, na ja, vielleicht nicht ganz, aber so in etwa. Aber schön ist es natürlich nicht immer, was man so hört. Aber egal, wichtig ist, dass ich wieder unüberhörbar am gesellschaftlichen Miteinander teilnehmen kann, ohne ständig nachfragen zu müssen. Sicherlich, das sollte man auch nicht unerwähnt lassen, wohne ich jetzt auch Gesprächen bei, die ich früher glücklicherweise nicht mitbekommen habe. Die Vor- und Nachteile halten sich die Waage, weil man nun auch schöne Dinge plötzlich mitbekommt, die einem früher verschlossen blieben, zum Beispiel ein leise ins Ohr gesäuseltes „Ich liebe dich!“ oder andere hübsche Dinge.