1000 Mal von Hamburg nach Helgoland und zurück
Hamburg/Helgoland (dpa) - Als Junge wollte Patrick Ehnert Busfahrer werden. Jetzt macht er sowas ähnliches, nur auf dem Wasser. Zwischen März und Oktober schippert der 36-Jährige Touristen von Hamburg nach Helgoland.
Seit zehn Jahren. Macht das Spaß?
Ein sonniger Morgen an den Hamburger Landungsbrücken. Ehnert, schwarze Hose, weißes Hemd mit vier goldenen Streifen auf den Schulterklappen, schaut hinunter auf die Ausflügler, die sich vor dem Schiff drängen. Mehr als 550 wird er heute zu Deutschlands einziger Hochseeinsel bringen.
Rund 180 Kilometer sind es von der Hansestadt bis Helgoland. Die Strecke legt der schnelle Katamaran „Halunder Jet“ mit Zwischenstopps in gut dreieinhalb Stunden zurück. Der Schiffsname - Halunder steht für das Helgoländer Friesisch - war für Patrick Ehnert nie fremd, denn er ist auf der kleinen Insel geboren.
„Wir sind gar nicht vorbelastet mit Schifffahrt“, sagt Ehnert, während er das Schiff an dem riesigen Trockendock auf der linken und den noblen Elbvororten auf der rechten Elbseite vorbei steuert. „Meine Mutter ist Kosmetikerin, mein Vater war Bademeister und Leiter des Kurmittelhauses. Mit elf oder zwölf habe ich angefangen, Optimisten zu segeln.“ Mit 16 zieht Patrick Ehnert nach Hamburg und macht Abitur.
„Wir sind behütet aufgewachsen“, erinnert er sich an die Kindheit auf Helgoland. „Drei- oder viermal im Jahr kamen wir auf's Festland. Fahrradfahren durften wir nur von Oktober bis April. In der Schule waren wir zum Schluss sieben in der Klasse, drei Jungs und vier Mädels. Damit war klar: Eine geht leer aus.“ Er sei aber stolz darauf, auf Helgoland geboren zu sein.
In langsamem Tempo gleitet der „Halunder Jet“ am Leuchtturm von Wittenbergen vorbei und legt kurz am Schulauer Fährhaus in Wedel an. Das Anlegen ist Routine: Erst die Vorleinen am Bug, dann geht das Schiff längsseits zum Ponton, dann werden die anderen Leinen vertäut.
Nach dem Abi hat Ehnert Schiffsmechaniker gelernt, danach studiert er Nautik an der Jade-Hochschule Elsfleth. Am Ende durfte er sich Diplomingenieur für Seeverkehr nennen. Dann folgt das übliche Hocharbeiten, vom 3. zum 1. Offizier und am Ende zum Kapitän auf Großer Fahrt, also das Patent für alle Seegewässer, weltweit.
Ehnerts Arbeitsplatz liegt hoch über dem Wasser. Auf der Brücke steht niemand mehr an einem großen Holzsteuerrad. Hier gibt es zwei bequeme Ledersessel, auf der rechten Armlehne jeweils der Joystick für den Kurs, auf der Mittelkonsole fast wie im Flugzeug zahllose Schalter, Drehrädchen und Lämpchen. Monitore zeigen das Radarbild, die elektronische Seekarte und die Bilder der Außenkameras.
„Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht. Ich fahre unheimlich gerne, egal was für ein Schiff.“ Ehnert ist auf Tankern gefahren, war in der Karibik, in der Antarktis, im Oman und in Südamerika.
Und jetzt täglich Hamburg-Helgoland. Ist das nicht furchtbar langweilig? „Nein, nie, jede Fahrt ist anders“, sagt Ehnert und nimmt einen Schluck heißen Kaffee aus der Tasse mit der Aufschrift „Patrick“. Jedes Mal sei das Wetter anders, es seien andere Schiffe unterwegs, 400 Meter lange Containerriesen oder Hobby-Segler, die nicht mit der Schnelligkeit des Katamarans von stellenweise mehr als Tempo 60 rechnen und plötzlich den Kurs kreuzen.
Der 2003 gebaute Katamaran ist 52 Meter lang und über 12 Meter breit. Die vier Motoren leisten zusammen knapp 10 000 PS. „Bei Vollgas schluckt er 1000 Liter Diesel pro Stunde.“
In den gut drei Stunden, die der Katamaran auf Helgoland Aufenthalt hat, kann Patrick Ehnert seine Eltern besuchen und ein Nickerchen machen. Und da ist noch seine Familie in Prisdorf, die er jeden Abend sieht. Andere Kapitäne sind oft vier Monate und länger unterwegs.
Eine gute Stunde nach Cuxhaven kommt Helgoland in Sicht. Die Wellen waren heute verträglich. Sind die Wellen höher als zweieinhalb Meter, stellt der „Halunder Jet“ den Betrieb ein. „Einmal saßen wir bei Sturm und vier Meter hohen Wellen mit 400 Passagieren zwei Tage lang auf Helgoland fest“, erinnert sich der 36-Jährige.
Patrick Ehnert mag diesen Job, aber: „Ich will das nicht mein Leben lang machen.“ Nach zehn Jahren auf dem „Halunder Jet“ wird er im Herbst zu den Elblotsen wechseln. Dann ist vorerst Schluss mit den „beschränkten Auslandsfahrten“, wie die Touren nach Helgoland im Fachjargon heißen. „Meine Eltern sind schon ganz traurig“, sagt der Kapitän“, aber „tausend Mal Helgoland und zurück sind genug.“