Invasive Arten Afrikanische Riesenschnecke wird zur Gefahr für Kubas Ernten

Havanna (dpa) - Niemand weiß, wie sie auf die Karibikinsel kamen. Und niemand darf offenbar wissen, wie viele Exemplare der Ostafrikanischen Riesenschnecke es bereits im sozialistischen Kuba gibt:

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Die gefräßigen Weichtiere könnten sich schließlich irgendwann auch über die Ernten auf den Feldern der ohnehin von Mängeln geplagten Trauminsel hermachen, befürchten Kenner der Lage. Damit nicht genug des Schreckens: Die zu den größten Landschnecken der Welt zählenden Tiere übertragen auch noch für Menschen gefährliche Krankheiten, etwa einen Erreger der Meningitis.

Die Weltnaturschutzunion (IUCN) führt die Ostafrikanische Riesenschnecke (Achatina fulica) in ihrer Liste der 100 schädlichsten invasiven Arten. Die Spezies, die ursprünglich aus tropischen Ländern Ostafrikas wie Kenia und Tansania kommt, war bis 2014 unbekannt auf Kuba. Die zunächst wenigen eingeschleppten Exemplare der auch Große Achatschnecke genannten Art haben sich rasend schnell vermehrt. Die Tiere sind Zwitter, können sich also mit jeder anderen geschlechtsreifen Schnecke ihrer Art fortpflanzen. Zudem haben sie eine stolze Lebenserwartung von fünf und mehr Jahren.

In alarmierenden Worten schilderte Bauer José Antonio Cruz kürzlich in einer Zeitung der kommunistischen Partei - „Juventud Rebelde“ - seine Erfahrungen mit dem Allesfresser auf seiner Finca. Falls nicht bald die notwendigen Maßnahmen ergriffen würden, so warnte Cruz in seinem Leserbrief, werde das eingewanderte Tier in Kürze die Landwirtschaft des Landes beeinträchtigen.

„So gut, wie die fressen, werden sie alles niedermähen“, sagt auch Mario Mirabal der Deutschen Presse-Agentur. Auf seinem Bauernhof habe er bereits 4000 Sonnenblumen durch die Riesenschnecken verloren. Yucca, Kartoffeln, Süßkartoffeln und Bananen - die Schnecken sind wenig wählerisch. Die bis zu 20 Zentimeter langen Tiere fallen Berichten zufolge sogar über den Kalk an Häuserwänden her.

Auf der Karibikinsel haben die Menschen ihre eigenen Theorien, wie die Ostafrikanische Riesenschnecke nach Kuba kam. Sie reichen vom Verdacht, dass jemand sie als Haustiere hielt, die irgendwann entfleuchten, bis hin zu einem Einsatz für Riten der afrokubanischen Santería- und Yoruba-Religion. Tatsächlich tauchten die ersten Riesenschnecken in der Nähe von Häusern von Yoruba-Priestern oder religiösen Stätten auf. Einige Kubaner glauben zudem, dass die Riesenschnecken Glücksbringer sind.

Während das Phänomen auf Kuba noch recht neu ist, hat der US-Staat Florida schon unangenehme Bekanntschaft mit den Riesenschnecken gemacht. Eine erste Invasion in den 1960er Jahren wurde mit vielen Millionen Dollar zehn Jahre lang hartnäckig bekämpft - ein Junge soll die Tiere damals von einem Urlaub auf Hawaii mitgebracht, die Oma sie später im Garten ausgesetzt haben. Eine zweite Ausbreitungswelle nahm 2011 ihren Lauf.

Als Haustier erfreuen sich Afrikanische Riesenschnecken (Achatinidae) in Europa schon seit längerem großer Beliebtheit, auch in Deutschland - ohne dass den Liebhabern die gefährliche Seite der Tiere unbedingt bekannt ist. In Internetforen werden sie verschenkt oder für wenige Euro angeboten.

Dass sich die Tiere in absehbarer Zeit auch in deutschen Gefilden ausbreiten könnten, hält Heike Reise vom Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz für ausgeschlossen. Mit Blick auch auf andere eingeschleppte Tiere warnt sie aber: „Leichtfertig mitgebracht oder gekauft, als biologische Schädlingsbekämpfung oder Haustiere gedacht und im Tropenhaus ausgesetzt können sie ein großes Problem werden.“ Klar müsse sein, „dass exotische Tiere nicht in unsere Natur gehören, weil dadurch großer Schaden für die heimische Tier- und Pflanzenwelt entstehen kann“.

Die Große Achatschnecke findet sich Wissenschaftlern zufolge mittlerweile auch in mehreren Ländern Südamerikas. „Außer in der Antarktis ist sie schon auf allen Kontinenten“, sagt Luis Álvarez Lajonchere von der Universität in Kubas Hauptstadt Havanna.

Auf Kuba kommt die genaue Anzahl der Exemplare einem Staatsgeheimnis gleich. „Die Population ist groß, aber wir wollen keine Alarmstimmung verbreiten“, sagt Michel Matamoros vom Instituto de Investigaciones de Sanidad Vegetal in Havanna, das die kubanische Landwirtschaft mit wissenschaftlich-technischen Erkenntnissen unterstützt. „Es ist wichtig, dass sie es nicht schaffen, auf breiter Front in die Ökosysteme einzufallen.“

Gefährlich für den Menschen ist unter anderem der Schleim der Schnecken - etwa auf Salatblättern -, in dem sich Parasiten wie der Ratten-Lungenwurm befinden können. Einmal im menschlichen Körper, kann dieser bis zum Gehirn wandern und dort eine Hirnhautentzündung auslösen, die zum Tod führen kann.

Im tropisch-feuchtheißen Klima Kubas fühlen sich die Riesenschnecken wohl und haben auch keine natürlichen Feinde. Bauer Mirabal verbrennt die Schnecken, die er zu fassen bekommt, mit Benzin in einem Becken aus Metall. 2000 Exemplare passen hinein, wie er sagt.

Doch so viele auch getötet werden - am folgenden Tag beginnt die Arbeit von vorn. Ostafrikanische Riesenschnecken können mehrmals jährlich hunderte Eier legen. Seit sein Hof betroffen ist, treibt Leserbrief-Schreiber Cruz eine große Frage um: „Wie kann es sein, dass der Mensch die Atombombe erfand, die die ganze Menschheit auslöschen kann, aber nicht in der Lage ist, mit diesen Schnecken fertig zu werden?“