Alleinerziehend — der kurze Weg in die Armut
40 Prozent der Alleinerziehenden in NRW leben von Hartz IV. Die Awo fordert mehr Hilfe.
Düsseldorf. Mariana Rosca will arbeiten. Aber die 37-jährige Rumänin, die seit vier Jahren in Deutschland lebt, hat gleich zwei große Probleme: Ihr Altenpflegerin-Zertifikat aus Italien wird in Deutschland nicht anerkannt — und sie ist alleinerziehende Mutter eines neunjährigen Sohnes. „Ich will keine Zeit verlieren, aber die Bürokratie dauert zu lange“, sagt Rosca.
Ein halbes Jahr auf die Anerkennung zu warten und dann doch nur als Altenpflegehelferin arbeiten zu dürfen, das kommt für sie auch finanziell nicht in Frage. Seit Monaten reiht sich für Rosca im Jobcenter ein Termin an den anderen. „Alle sagen, wir helfen, aber am Ende mache ich gar nichts“, sagt sie frustriert. Nun will sie eine Ausbildung als Sicherheitsfachkraft machen — und hofft auf einen Teilzeit-Ausbildungsplatz ab Herbst 2018. „Ich hoffe, dass ich keinen Stein in den Weg gelegt bekomme.“
Alleinerziehende haben laut Statistischem Landesamt mit rund 45 Prozent das höchste Armutsrisiko in Nordrhein-Westfalen. Die Arbeiterwohlfahrt NRW (Awo) forderte gestern eine finanzielle und berufliche Gesamtstrategie, um sie vor der „Armutsfalle“ zu bewahren.
Dazu gehöre eine Kindergrundsicherung von monatlich 572 Euro, die alle sonstigen Leistungen wie Kindergeld oder Unterhaltsvorschuss zusammenfasse und am Einkommen der Eltern bemessen werden solle. Das Ehegattensplitting müsse abgeschafft werden. Die Arbeitszeiten und Kita-Öffnungszeiten müssten flexibler werden. Und es müsse ein Recht geben, nach der Familienphase von Teilzeit auf Vollzeit aufzustocken.
Bundesweit gibt es laut Awo rund 650 000 Alleinerziehende, allein im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW sind es rund 360 000 Mütter und — in selteneren Fällen — Väter. 40 Prozent der Alleinerziehenden, das sind rund 144 000, leben von Hartz IV. Mehr als die Hälfte von diesen hat keinen Berufsabschluss. Der Weg in die Armut sei kurz, sagte Awo-Landesgeschäftsführer Jürgen Otto. Vor allem die Kinder blieben oft in der „Armutsfalle“.
Gerade junge Alleinerziehende brauchten daher bessere Berufsperspektiven, einen leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt und ein „vernünftiges Erwerbseinkommen“. Die Awo in Düsseldorf arbeitet seit 2010 mit Unternehmen zusammen, die alleinerziehenden Müttern Teilzeitausbildungsplätze etwa als Steuerfachkraft, Altenpflegerin oder im kaufmännischen Bereich anbieten.
Die meisten Mütter könnten bis zu 30 Stunden Teilzeit arbeiten, sagt Abteilungsleiterin Gabriele Schmitz. Das sei fast wie Vollzeit. Und die Ausbildung dauere nicht länger. Mehr Bewegung fordert die Awo aber auch von den Jobcentern. Sachbearbeiter müssten besser für die Belange Alleinerziehender qualifiziert werden. Mindestens zwei Mal im Jahr sollten Alleinerziehende Jobangebote bekommen, die ihnen langfristige Perspektiven eröffneten.
Beim Verband allein erziehender Mütter und Väter (VAMV) NRW stieß die Awo-Initiative auf Lob. Es sei zu begrüßen, wenn sich die großen Wohlfahrtsverbände auch um die Belange Alleinerziehender kümmerten, sagte Vorstand Nicole Berkhoff. Oft bedeute es einen „Bruch im Lebenslauf“, plötzlich alleinerziehend zu sein. Die Leidtragenden seien vor allem Kinder: „Das größte Armutsrisiko für Kinder ist, bei einer alleinerziehenden Mutter zu leben.“