Alpaka oder Katze? - Wollmühle spinnt Fäden aus Tierhaar
Arendsee (dpa) - Winter ist Zeit zum Stricken. Wer das geschorene Haar seines Haustiers für Schals oder Mützen verarbeiten möchte, kann sich an die Wollmühle wenden: Dort wird eingeschickte Wolle gesponnen.
Es rattert und surrt, Fäden und Wollbänder ziehen sich durch den Raum. Bernd Funke geht mit ruhigen Schritten von Maschine zu Maschine in seiner Wollmühle im uckermärkischen Arendsee. „Die Fäden dürfen sich nicht verheddern und nicht reißen“, erklärt der 61-Jährige. In der kleinen Manufaktur im äußersten Nordosten Brandenburgs verspinnt die Familie Funke seit bald zwei Jahren Wolle verschiedener Tierarten - vor allem von Alpakas und Ziegen, aber auch von Katzen oder Hunden.
„Die Wolle kommt aus ganz Europa zu uns“, erzählt der 61-Jährige - etwa aus Spanien, Frankreich, der Schweiz, den Niederlanden oder Ungarn. Täglich stehe er in der Fabrik, auch an Wochenenden und Feiertagen, erzählt Funke. „Der Andrang ist so groß, dass wir erst im Frühjahr wieder Wolle annehmen können“, sagt er - während seine Schere am Gürtel hängt. Dort gehöre sie hin, meint der frühere Polizist. „Da habe ich jahrelang die Pistole getragen.“
Seit 2005 züchtet die Familie Alpakas. Zur Herde gehören etwa 45 Tiere. Die Wolle schickten die Züchter zunächst nach Österreich, um sie verarbeiten zu lassen. Doch die Wartezeiten waren lang. So kam das Ehepaar auf die Idee mit der Manufaktur und bestellte die Anlagen in Kanada.
Nun kommt bei ihnen Wolle in Paketen an. Sie wird gewogen, gereinigt, gelüftet - am Ende ist oft 30 bis 50 Prozent weniger übrig. „Da ist oft Heu oder Stroh drin“, erklärt Funke. Zudem müsse das Haar drei bis vier Zentimeter lang sein, damit es verarbeitet werden könne. „Jede Faser von jedem Tier ist anders. Das muss bei der Bearbeitung möglichst beachtet werden.“
Das federleichte Material wandert über mehrere Maschinen. Herzstück ist ein sogenannter Kardierer, der aus der Wolle ein etwa zwei Zentimeter dickes Band macht. Zwei Bänder ergeben einen Faden, der zum Schluss noch in sich verdreht wird. „Anfangs haben wir Nächte zugebracht, um die Maschinen zu beherrschen“, berichtet Funke. Ein Gramm Wolle ist am Ende etwa zwei Meter lang.
Der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie verzeichnet zunehmendes Interesse an Naturmaterialien. „Der Anteil der Kunden, die sich bewusst dafür entscheiden, steigt“, sagt Pressesprecher Hartmut Spiesecke. An Schafwolle etwa werde geschätzt, dass sie ein nachwachsender Rohstoff sei. Der Verband vertritt deutschlandweit rund 1200 Firmen mit einem Gesamtumsatz von 28 Milliarden Euro (2013). Die Bekleidungsbranche macht davon etwa 30 bis 40 Prozent aus, wie Spiesecke sagt. „Naturfasern haben ihren Stellenwert in der Bekleidung.“
Anna Nimmo aus Hamburg hat Textilwissenschaften studiert und unter anderem untersucht, warum Leute stricken. „Gerade in einem digitalisierten Alltag wollen sie etwas Handfestes in der Hand haben“, sagt die junge Frau. Auch eigne sich etwas selbst Hergestelltes gut, es anderen zu zeigen: „Seht, was ich entworfen habe.“
Während ihrer Recherchen gründete Nimmo einen Strickclub in Hamburg, dem zeitweise 80 Leute angehörten. „Ich habe selbst angefangen zu stricken“, erzählt sie. Am liebsten verarbeite sie reine Wolle. Die Menschen legten stärker Wert darauf, zu erfahren, woher die Sachen kämen. „Gute Wolle ist auch eine Preisfrage“, gibt sie zu bedenken. Für einen selbst gestrickten Schal gebe sie schon mal 50 Euro aus.