Attendorn ist die Stadt mit den dicksten Geldbeuteln in NRW
Einwohner im sauerländischen Städtchen können fast 48000 Euro pro Jahr ausgeben.
Attendorn. Ein Bahnübergang, drei Kirchen und mittendrin ein Kreisverkehr mit Siegessäule: Das ist Attendorn (Kreis Olpe). Hier im sauerländischen Städtchen zwischen Windrädern und dunkelgrünen Tannenwäldern sollen sie leben, die Reichen von Nordrhein-Westfalen.
Nach einer Studie des Statistischen Landesamtes haben die Attendorner die dicksten Geldbeutel im Bundesland. Genau 47.914 Euro hatte jeder von ihnen 2007 im Schnitt zur Verfügung. In ganz Nordrhein-Westfalen konnten die Menschen im selben Jahr pro Kopf durchschnittlich nur 19.290 Euro ausgeben.
Wenn Geld also die Welt regiert, muss Attendorn so etwas wie der Regierungssitz sein. "Wo so viel Geld ist, da gibt es auch eine Tasse Kaffee", scherzt der Personaldezernent der Stadt, Martin Vollmert. Neben der Tasse Kaffee gibt es in Attendorn laut Bürgermeister Alfons Stumpf (SPD) noch etwas anderes: eine Arbeitslosenquote von gerade mal rund vier Prozent. 12.500 der 24.800 Einwohner sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Wo viele Menschen einen Job haben, ist das Einkommen pro Kopf automatisch höher. Höchstverdiener aber müssen sie nicht sein.
"Sicherlich ist das ein Ausdruck der starken mittelständischen Industrie, die stark familiär geprägt ist", deutet der Bürgermeister die aktuelle Einkommensstatistik. 100 Hektar Gewerbefläche habe die Stadt allein in den vergangenen 15 Jahren erschlossen. Insgesamt 1.400 klein- und mittelständische Unternehmen gibt es in Attendorn.
Deren Gewinne fließen in die Reichen-Statistik ein, weil die meisten Unternehmer am Ort wohnen. Trotzdem betont Stumpf: "Das ist ja erstmal nur ein Rechenergebnis." Schließlich könnten sich hinter der Statistik auch lediglich ein Multimilliardär und jede Menge Hartz-IV-Empfänger verbergen.
Und tatsächlich, neben vielen Einfamilienhäusern gibt es sie auch in Attendorn, die Sozialwohnungen im Plattenbau. Auf dem Hügel über dem Sauerländer Dom zum Beispiel. Wo sind sie nun, die Höchstverdiener Nordrhein-Westfalens? "Über Geld redet man nicht", meint eine Angestellte in einer Bäckerei. Scheinbar.
Alle, die reden, wollen anonym bleiben. "Ein Ammenmärchen", ärgert sich eine Rentnerin (69) im Café. "Ich weiß doch, was ich in meinem Portemonnaie habe. Solche Summen doch nicht." Die Jobmöglichkeiten seien gut in der Stadt, sagt ein Mann (65). Aber: "Ich bin kein Höchstverdiener." Das dicke Geld gehöre wenigen Reichen.
"Wahrscheinlich liegt es daran, dass es eine gewisse Zahl von sehr Gutverdienenden gibt", interpretiert auch der Sprecher des statistischen Landesamtes, Leo Krüll, die Ergebnisse. Der Rest der Einwohner habe ein Durchschnittseinkommen. Ähnlich sieht das eine 39-jährige Attendornerin, die Mittagspause in der Fußgängerzone macht. Sie weiß: Auch in ihrer Stadt müssen wegen der Wirtschaftskrise derzeit viele sparen. "Da fällt beim ein oder anderen der Urlaub aus."
Der Großteil der Betriebe in Attendorn arbeitet für die Automobilindustrie, viele haben Kurzarbeit angemeldet, einige bereits entlassen. Mit der niedrigen Arbeitslosenquote, den - wenn auch wenigen - Höchstverdienern und damit ansehnlichen Steuereinnahmen für die Stadt könnte es wegen der Wirtschaftskrise schnell vorbei sein, meint Bürgermeister Stumpf.
Schon für 2010 erwartet er eine Millionen Euro weniger Einnahmen allein aus der Einkommenssteuer. "Möglicherweise stehen wir nächstes Jahr immer noch an der Spitze, aber dann mit einer anderen Zahl." Dann könnte die Siegessäule im Herzen Attendorns eine ganz neue Bedeutung gewinnen. Auf ihr steht in Goldbuchstaben: "Zur Erinnerung an die glorreiche Zeit".