Ausreißer-Kuh Yvonne bleibt weiter im Versteck
Mühldorf a. Inn (dpa) - Die wilde Yvonne findet Gefallen an ihrer Freiheit - die ausgebüxte Kuh entwischt weiter ihren Häschern. Am Sonntag zogen sich Helfer nach einer großen Suchaktion vorerst aus dem Wäldchen nahe dem oberbayerischen Mühldorf zurück.
Sie wollen Yvonne nun mit Leckerbissen in einer Futterfalle anlocken.
„Wir lassen Yvonne jetzt zur Ruhe kommen. Wenn sie merkt, dass niemand mehr stört, traut sie sich vielleicht an das Futter ran“, sagte Verwalter Hans Wintersteller vom Tiergnadenhof Gut Aiderbichl.
In der Futterfalle aus Eisen wird Heu und Silage für Yvonne ausgelegt. Der frische Duft soll die Kuh anlocken. Sobald sie aus der sogenannten Raufe frisst, schließt sich ein Bügel über ihrem Kopf.
Die Kuh ist schon seit Wochen auf der Flucht. Ende Mai war sie einem Bauern entwischt, bevor sie geschlachtet werden sollte. Seitdem lebt sie wie ein scheues Reh im Wald. Nachdem sie vor einigen Tagen beinahe mit einem Polizeiauto zusammengestoßen war, gaben die Behörden sie zum Abschuss frei. Tierschützer von Gut Aiderbichl kauften Yvonne, um sie zu retten.
Freiwillige Helfer haben das kleine Waldstück, in dem sie sich seither herumtreibt, schon mehrfach vergeblich durchsucht. Die tierischen Lockvögel - ihre Schwester Waltraud und Kälbchen Waldi - besucht die scheue Yvonne zwar, doch entweder schaffte es der Betäubungspfeil ihrer Häscher nicht durch das dichte Unterholz oder es war schlicht zu finster.
Wintersteller hält Yvonne für blitzgescheit. „Sie weiß: Wenn es dunkel ist, schießen wir nicht auf sie.“ Schon einmal sei es gelungen, Yvonne nachts zu betäuben. Doch in den wenigen Minuten, bis die Spritze wirkte, sei das Rindvieh so weit gelaufen, dass es nicht gefunden wurde.
Ein erstes keines Erfolgserlebnis hatte Wintersteller aber in der Nacht zum Sonntag: Er konnte Yvonne bei einem kurzen Abstecher zu ihrer Schwester Waltraut und Kälbchen Waldi beobachten. Die beiden Tiere werden rund um die Uhr von zwei bis drei Aufpassern überwacht. „Der Besuch zeigt uns, dass Yvonne sich nicht von der großen Suchaktion am Samstag verschrecken ließ“, sagte Wintersteller.
Die Bewohner des Tausend-Seelen-Ortes Zangberg sehen die Fangversuche inzwischen mit einem Schmunzeln. „Auf den Mond schaffen's die Leute, aber diese Kuh können sie nicht einfangen“, sagte ein Bewohner am Sonntag. Seit 40 Jahren wohnt der Mann in Zangberg und schaut sich das Spektakel aus der Ferne an. „Ich hab das jetzt schon ein paar Mal beobachtet, da kommt immer ein Haufen Jäger mit Hunden und dann durchsuchen sie dieses kleine Wäldchen.“
Die größte Gefahr für das scheue Tier ist laut Wintersteller zumindest vorerst gebannt. „Wir haben die gefährlichste Straße mit einem Netz abgeschirmt. Yvonne geht inzwischen nicht mal mehr in die Nähe davon.“
Im Wald kann Yvonne aus Sicht eines Experten sehr gut überleben. „Dort ist es schön kühl und es gibt genug zu fressen“, sagte der Leiter des Instituts für Tierhygiene, Tierschutz und Nutztierethologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover, Jörg Hartung, der Nachrichtenagentur dpa. Yvonne könne zum Beispiel Gras, Beeren und Blätter fressen. Obwohl sie auf einer Weide aufwuchs, wisse sie, welche Pflanzen giftig sind.
Erst im Winter könnte das Nahrungsangebot zu knapp werden. „Zehn bis zwanzig Kilo braucht ein Rind pro Tag“, erklärte der Professor. Das würde reichen, da Yvonne nicht mehr literweise Milch produzieren müsse. Bei einer Schneedecke könnte sie sich möglicherweise von dem Futter ernähren, das für Wildtiere ausgelegt werde. Der Tiermediziner hat außerdem noch eine andere Vermutung: „Ich kann mir gut vorstellen, dass sie sich im Winter erinnert, wo es gutes Futter gibt.“ Möglicherweise kommt Yvonne dann freiwillig zurück - wenn die Futterfalle nicht vorher zuschnappt.