„Axolotl Roadkill“ in Hamburg uraufgeführt
Hamburg (dpa) - Sex, Drogenexzesse und Wohlstandsverwahrlosung - „Axolotl Roadkill“ hatte Anfang 2010 für Furore in den Feuilletons gesorgt. Jetzt ist der Skandalroman als Theaterfassung in Hamburg auf der Bühne zu erleben.
Bei der Uraufführung in der Studiobühne „Thalia in der Gaußstraße“ wurde die Inszenierung von Bastian Kraft begeistert gefeiert.
Der Regisseur bleibt in seinem Stück nah an den Originaltexten von Autorin Helene Hegemann. Die damals 17-Jährige hatte in ihrem Debütroman eine Gesellschaft beschrieben, die versucht, sich von allen Konventionen zu befreien. Am Rande wird in der Inszenierung auch der Plagiatskandal aufgegriffen: Hegemann hatte für ihr Werk Passagen aus dem Blogger-Roman „Strobo“ mehr oder weniger wörtlich übernommen.
Wie in der Romanvorlage stehen in der Bühnenversion Realität und Fiktion gleichberechtigt nebeneinander. In einer Art Revue wird das Leben der 16-jährigen Mifti erzählt, die nach dem Tod der Mutter bei ihrem Vater und den Geschwistern lebt. Sie ist intelligent und reflektiert, nimmt Drogen, verweigert die Schule und findet auch noch Argumente dafür: „Ich bin wild aufgewachsen und ich will wild bleiben (...) Ich bin in Berlin und es geht um meine Wahnvorstellungen.“
Miftis zerrissener und sprunghafter Charakter wird unterstrichen, indem alle fünf Schauspieler auf der Bühne - mal parallel, mal im Wechsel - ihre Rolle übernehmen. Die Akteure, ein Mann und vier Frauen unterschiedlichen Alters, spielen aber auch andere Charaktere aus Miftis Umfeld. Da ist der Vater, „eins von diesen linken durchsetzungsfähigen Arschlöchern überdurchschnittlichen Einkommens“, die zwangsneurotische Mutter, die beiden Geschwister, die beste Freundin, die 46 Jahre alte Geliebte oder ein Taxifahrer mit dem es zum schnellen harten Sex kommt.
Wer allerdings Orgien, Gewalt- und Drogenexzesse auf der Bühne erwartet, wird enttäuscht. „In unserer Inszenierung geht es nicht um eine Abbildung oder um das Nachspielen dieser beschriebenen Welt“, sagt Kraft. „Die Radikalität, die wir suchen, besteht darin, entgegen der Konventionen zu denken“, sagt der 30-jährige Regisseur. So lassen die Schauspieler (Lisa Hagmeister, Birte Schnöink, Cathérine Seifert, Victoria Trauttmannsdorff und Sebastian Zimmler) den originellen und scharfen Buchtext für sich sprechen. Kraftvoll und überzeugend zitieren sie prägnante Passagen und zeichnen ein gelungenes Abbild der getriebenen urbanen Gesellschaft.
Ganz nebenbei gelingt es auch noch die Plagiatsdebatte zu integrieren. Interessanterweise hatte Hegemann das Thema im Buch bereits im Vorfeld aufgegriffen. Etwa wenn heißt: „Ist das von Dir? - Nein, von so 'nem Blogger“ oder „Mir wurde eine Sprache einverleibt, die nicht meine eigene ist.“ Beim Publikum sorgen diese Passagen für besondere Belustigung. Hegemann selbst hielt sich aus der Theater- Inszenierung weitgehend heraus. „Es war von Anfang an klar, dass wir mit aller formaler Freiheit an den Roman herangehen dürfen“, sagte Kraft.