Casting Bahn sucht neue Stimme für mehr als 10.000 Lautsprecher

Frankfurt/Main · Für ihre automatischen Lautsprecherdurchsagen will die Bahn eine neue Software einsetzen, die mehr Flexibilität und damit eine bessere Information der Reisenden bringen soll. Bestücken soll sie ein neuer Sprecher oder eine neue Sprecherin. Das Casting dafür läuft.

Auf diese Weise "casten" zuständige Mitarbeiter der Bahn die Stimmen von Probanden, die künftig Ansagen auf Bahnhöfen machen dürfen.

Foto: dpa/Boris Roessler

Quietschende Bremsen, abfahrende Züge und dann ertönt auch noch eine Trillerpfeife. Mitten darin eine Durchsage: „Gleis 6 Einfahrt ICE 623 nach..., Abfahrt um ...“ Die entscheidenden Informationen gehen im enormen Hintergrundrauschen der Bahnhofsvorhalle unter. Keine unbekannte Situation für Fahrgäste der Deutschen Bahn. Um künftig auch im Störungsfall besser informieren zu können, sucht das Unternehmen derzeit nach einer neuen Stimme für ihre Lautsprecheranlagen an den Bahnsteigen.

Seit Juni läuft das Abstimmungsverfahren, bei dem zunächst zwölf und dann sechs Stimmen ausgewählt wurden. In einem eigens angemieteten Kinosaal geht es an einem Vormittag in Frankfurt am Main nun um den vorletzten Schritt: Die übrig gebliebenen Kandidaten, drei Frauen und drei Männer, müssen sich in mehreren Szenarien vor einer Jury aus Bahn-Mitarbeitern und Mitgliedern des Kundenbeirats behaupten. Hauptkriterium ist, wie verständlich die Durchsagen trotz größten anzunehmenden Bahnhofslärms klingen.

Los geht es gleich mit der schwierigsten Aufgabe: die starken Störgeräusche in der Vorhalle. „Das entspricht in etwa der Situation in Frankfurt, ich habe mir das angehört, da versteht man fast nichts“, sagt Toningenieur Oliver Achatz. Es gehe darum, eine extreme Situation zu simulieren. Er lässt das große Rauschen vom Band laufen und mischt die erste Männer-Stimme hinein - und kaum ein verständliches Wort dringt hindurch.

Die zweite Stimme, die einer Frau, lässt zumindest erahnen, dass ein ICE eingefahren ist. Besser zu verstehen ist die Durchsage eines weiteren Sprechers, die Abfahrtszeit ist demnach irgendwann nach 16 Uhr. Des Rätsels Lösung bringt erst die klare und freundliche Stimme der letzten Kandidatin: Um 16.15 Uhr fährt der Zug los. Per Smartphone-App bewerten die 20 Jurymitglieder im Kinosaal nun auf einer Skala zwischen 1 und 10, wie verständlich sie die Ansagen fanden.

Die zwei weiteren Szenarien versetzen die Jury auf den Bahnsteig eines mittleren sowie eines ganz kleinen Bahnhofs. Die Ansagen sind nun deutlicher, dennoch gibt es Unterschiede. „Ich fand die tiefen Männerstimmen deutlicher“, sagt einer der Zuhörer. „Ich habe die Frauen besser verstanden“, berichtete dagegen eine Zuhörerin. Am Ende bestimmt die Jury für die letzte Runde zwei Männer und eine Frau.

Die endgültige Entscheidung trifft der Bahn-Vorstand noch in diesem Jahr. Die Aufnahmen im Tonstudio sind dann für nächstes Jahr angesetzt, sie werden vermutlich Monate dauern, wie Karsten Wehde, Projektleiter Reisendeninformation, sagt. Eine anstrengende Prozedur: Eingesprochen werden einzelne Silben, aus denen dann per Computer beliebige Wörter geformt werden können. Das Verfahren sei dasselbe, wie es für digitale Assistenten wie Amazons Alexa oder Apples Siri benutzt werde.

Bisher seien im Tonstudio ganze Wörter gespeichert worden. Das sei aber in Situationen problematisch, für die es keine Aufnahme gebe, etwa eine bestimmte Art von Störung. Zudem funktioniere die bisherige Technik nicht an allen Bahnhöfen. Auch das soll sich ändern, so dass der neue Sprecher oder die neue Sprecherin an mehr als 10.000 Lautsprechern bundesweit zu hören sein wird.

Es gebe Untersuchungen, wonach Stimmen von Frauen bei Durchsagen eher gehört würden. Inwieweit das allerdings für Bahnhöfe gilt, sei unklar, sagt Wehde. Und dann gehe es auch darum, wie sympathisch die Stimme wirke und ob sie die Bahn gut repräsentiere. Zu markant dürfe sie auch nicht sein: „Ein Bruce Willis am Bahnhof würde nicht funktionieren.“

Der Fahrgastverband Pro Bahn verweist auf weitere Baustellen in Sachen Reisendeninformation. „Die Informationen, die durchgegeben werden, müssen auch stimmen und dürfen sich nicht mit anderen widersprechen, etwa denen in elektronischen Medien“, sagt Sprecher Karl-Peter Naumann. Wenn am Bahnsteig durchgesagt werde, ein Zug habe neun Minuten Verspätung, die Bahn-App melde aber 20 bis 30, helfe das niemandem. Zudem brauche es eine bessere Lautsprechertechnik, damit Durchsagen etwa auch während Zugdurchfahrten verständlich seien. An beiden Punkten werde auch gearbeitet. „Die Bahn ist da auf einem guten Weg und wir hoffen auf ein gutes Ergebnis“, sagte Naumann.

(dpa)