Bei der Bart-EM konkurrieren die Männer um Haaresbreite
Schluchsee (dpa) - Es wird gezwirbelt, geföhnt und gebürstet. Haarspray und Stärkecreme sind ständige Begleiter. Viel Zeit wird vor dem Spiegel verbracht. Mehr als 120 Männer aus mehreren Nationen haben am Wochenende die Bart-Europameister ermittelt.
Die internationale offene EM der Bartträger in der Schwarzwaldgemeinde Schluchsee ist ein haariger Wettbewerb. Die Teilnehmer halten der Jury aus Männern und Frauen ihren Kopf hin. Über Sieg und Niederlage entscheidet oft nur eine Haaresbreite.
Konzentriert und mit geschlossenen Augen steht Karl-Heinz Hille jeden Morgen eine halbe Stunde vor dem Spiegel und stylt seinen kaiserlichen Backenbart. „Ich muss ihn mit beiden Händen fühlen. Erst dann weiß ich, dass er perfekt ist.“ Wie ein Lächeln schwingt sich der traditionelle Bart über beide Mundwinkel nach oben.
Hille ist einer der EM-Teilnehmer. Sieger werden in 18 Kategorien ermittelt. Rauschebärte sind ebenso dabei wie Zwirbel-, Kinn- und Schnauzbärte. Hinzu kommen besonders geformte Bartkreaturen - zum Beispiel Schnauzer Dalí, Kinnbart Musketier oder Vollbart Naturale.
Immer mehr Männer entscheiden sich für die Gesichtsbehaarung, sagt EM-Organisator Markus Bross, selbst Bartträger aus Leidenschaft. Auch wenn viel Pflege nötig ist: Waschen und Schneiden reichen nicht. Mit Rundbürste und Gel werden die haarigen Gewächse in Form gebracht. Das Badezimmer ist für Bartträger der wichtigste Vorbereitungsort.
Für die Meisterschaft steht Hille schon mal mehr als eine Stunde vor dem Spiegel. Was früher mit Zuckerwasser in Form gebracht werden musste, geht heute zwar etwas schneller. Doch für die Jury zählt vor allem Sorgfalt. In der Kategorie kaiserlicher Backenbart tritt Hille auf die Bühne. Und bekommt von der Jury die volle Punktzahl.
Hilles Bart ist vor 15 Jahren aus einer Wette entsprungen und hat sich weiterentwickelt, bis ihn ein Berliner Bartclub angesprochen hat. Seither tritt Hille zu Meisterschaften an. „Es macht schon Spaß, wenn man plötzlich so eine Aufmerksamkeit bekommt“, sagt der Berliner. „Deshalb habe ich mein Outfit auch etwas ausgebaut.“ Mit Hut, silberweißem Anzug und Halstuch wird er zum Gesamtkunstwerk.
Die meisten Bartträger, die sich in Clubs organisieren, kommen aus dem Schwäbischen, wie der Verband Deutscher Bartclubs (VDB) ermittelt hat. Galten Bärte früher als Statussymbol und Zeichen der Macht, seien sie heute Kunstobjekt. „Die Frauen stehen drauf“, sagt EM-Organisator Bross. „Ein schöner Bart macht aus einem männlichen Gesicht ein Markenzeichen.“ Und zeige, dass der Mann auf sich achte.
Das weiß auch Jürgen Burkhardt. Der Fotograf und Designer aus Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart siegt, weil er den längsten Bart hat: 92 Zentimeter. „Mit einem außergewöhnlichen Bart macht man auf sich aufmerksam“, sagt der 57-Jährige. „Man muss nicht lange nach einem Gesprächsthema suchen, sondern hat gleich etwas zu reden. Und eine Visitenkarte braucht man auch nicht.“ Zudem lasse sich ein Bart immer wieder neu kreieren und sorge so für Abwechslung.
Burkhardt trägt Bart seit mehr als 40 Jahren. „Seit dem ersten Flaum“, sagt er. Er ist vierfacher Weltmeister, mehrfacher Europameister sowie Olympiasieger. Zur Bart-Weltmeisterschaft im kommenden Jahr in Österreich will er wieder antreten. Haarspray und Stärkecreme hat er immer dabei.