Berliner Lenin-Kopf wird ausgebuddelt
Berlin (dpa) - Lenin kommt wieder. Nach knapp 24 Jahren in Berliner Erde wird der riesige Granitkopf des russischen Revolutionärs ausgebuddelt. Noch wird der genaue Termin wie eine geheime Kommandosache gehütet.
Doch soviel ist klar: Es könnte der Höhepunkt einer skurrilen Story sein, in der es um Zauneidechsen, Vergessen und den Umgang mit Geschichte geht. Nach langem Hickhack soll die einst vom Sockel gestürzte DDR-Ikone ins Museum kommen.
Mitte September werde das 1,70 Meter hohe Haupt aus rotem Granit geborgen - aber nur im kleinsten Kreis, heißt es in der zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. „Die Auflagen vom Naturschutz sind wirklich hoch“, sagt Sprecherin Petra Rohland. Kamerateams aus aller Welt wollten dabei sein, wenn der Lenin-Kopf in die Höhe gehievt wird.
„Ob es mit dem Film „Good Bye, Lenin!“ zusammenhängt? Keine Ahnung - ich weiß nur, das Interesse ist riesig“, sagt die Sprecherin. In der Tragikomödie sah ein Millionenpublikum, wie nach dem Mauerfall das abgebaute Denkmal von Wladimir Iljitsch Lenin (1870-1924) davonschwebte - ein Symbol für den Untergang der DDR.
Noch liegt der zerlegte steinerne Koloss in einem Waldstück am südöstlichen Stadtrand. Von den knapp 130 Teilen soll nur der Kopf gehoben werden. Über dem entsorgten DDR-Denkmal wuchsen jahrelang nicht nur Gras und Birken, auf dem Lenin-Hügel siedelten sich auch Eidechsen an. Die große Population der kleinen Tiere wurde fast noch zum unüberwindbaren Hindernis, Lenin wieder herauszuholen.
Doch nun sind sie umgesiedelt - mit Sondergenehmigung. Erst abgefangen und mit Eimerchen eingesammelt, könnten sich die Echsen nun einen Hügel weiter sonnen, versichern Fachleute. Große Erschütterungen und viel Getrampel würden sie aber nicht vertragen. Deshalb dürfe die Bergung nur wenige Stunden dauern.
Auch andere Argumente gegen Lenin wurden zunächst aufgetürmt. Noch vor einem Jahr kündigte der Senat an, der Granitschädel bleibe im Boden und werde nicht wie geplant in der Ausstellung „Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler“ gezeigt. Es gebe keinen finanziellen Spielraum. Zudem wisse man nicht, wo Lenin genau liegt. Nach Spott und Kritik kam dann der Schwenk.
In Ost-Berlin blickte der steinerne Riesen-Lenin aus luftiger Höhe auf dem nach ihm benannten Platz ernst und unangefochten mit einer Stein-Fahne im Rücken in die Runde. 19 Meter hoch war die vom sowjetischen Bildhauer Nikolai Tomski geformte Statue, die im April 1970 zum 100. Geburtstag des „Begründers des Sowjetstaates“ vor neuer Hochhauskulisse enthüllt worden war.
In der Euphorie vieler nach dem Mauerfall verschwanden nicht nur schnell große Teile des Betonwalls. Auch Staats-Denkmäler wurden abgebaut. Das Nachdenken über einen kritischen Umgang mit den Zeugen der untergegangenen DDR setzte erst später ein.
Nach Protesten, Prozessen und heftigem Hickhack waren auch Lenins Berliner Denkmaltage gezählt. Im November 1991 rückten Bauarbeiter dem Revolutionär mit Bagger und Kran zu Leibe. Doch Lenin erwies sich als zäh und ließ sich zumindest am ersten Tag nicht schleifen.
Um die Ausstellung mit Lenin als Kernstück und rund 150 Büsten und Statuen seit dem 18. Jahrhundert wird seit Jahren gerungen. Mehrmals musste die Eröffnung in der Spandauer Zitadelle verschoben werden - nicht nur wegen Lenin, sondern auch wegen Bauproblemen.
Museumsleiterin Andrea Theissen lässt sich nicht beirren. „Wir machen keine Kunstausstellung, sondern eine Ausstellung zur Geschichte“, hatte die Historikerin in einem dpa-Gespräch betont. Als Zeichen politischer Herrschaft, ideologischer Legitimation oder als Orte des Gedenkens veranschaulichten Denkmäler Vergangenheit. „Sie wurden abgerissen, umgesetzt, in Depots abgestellt oder vergraben.“ Gerade das Lenin-Denkmal zeige, wie deutsche Geschichte entsorgt worden sei.
Wenn der Lenin-Kopf im Museum eintrifft, soll er gesäubert und „zurechtgemacht“ werden, ist zu hören. Und damit er dann gut zu sehen ist, bekommt der Granitbrocken einen Sockel. Aber nur einen kleinen.