BGH: Kindesmissbrauch führt fast immer zu Sicherungsverwahrung

Karlsruhe (dpa) - Der sexuelle Missbrauch von Kindern ist nach Ansicht des Bundesgerichtshof (BGH) fast immer eine schwere Straftat und kann deshalb zusätzlich mit Sicherungsverwahrung belegt werden. Nun muss die Freilassung eines Sextäters neu verhandelt werden.

Eine schwere Straftat sei auch bei Fällen gegeben, in denen der Täter sich von Kindern „nur“ in eindeutiger Weise berühren lasse und keine Gewalt anwende, entschieden die obersten Richter am Dienstag in Karlsruhe. Bei Kindesmissbrauch sei Gewalt kein Tatbestandsmerkmal. In dem verhandelten Fall hatte ein Mann mehrfach Kinder dazu gebracht, sein Geschlechtsteil anzufassen.

Mit der Entscheidung hob der BGH ein Urteil des Landgerichts München auf, das bei dem mehrfach wegen sexuellem Missbrauch verurteilten Mann auf die Verhängung der Sicherungsverwahrung verzichtet hatte. Die Begründung: Die von dem inzwischen über 60 Jahre alten Täter künftig zu erwartenden Straftaten seien nicht so schwerwiegend, dass sie sein Wegsperren nach dem Absitzen der Haftstrafe rechtfertigen.

Bei dieser Einschätzung habe die erste Instanz falsche Maßstäbe angelegt, entschieden die obersten Richter. Das Landgericht sei davon ausgegangen, dass Kindesmissbrauch nur dann als schwerer Straftatbestand gelte, wenn Aggression im Spiel ist. Dies gelte jedoch nicht. Zudem habe der Täter meist Situationen herbeigeführt, bei denen er seine Übergriffe ohne Gewalt ausführen konnte. Eine andere Kammer des Landgerichts muss den Fall nun neu aufrollen.

Der Täter war 1976 erstmals wegen sexuellen Missbrauchs angeklagt worden. Über die Jahre folgten mehrere Verurteilungen und Haftstrafen. Meist lud der Mann Kinder in sein Schlauchboot ein, fuhr mit ihnen hinaus und forderte sie dort auf, sein Glied zu berühren.

So war es auch in dem vorliegenden Fall, bei dem er eine Vierjährige mit dem Einverständnis der Mutter mitnahm. Auf dem See kam es dann zu dem Übergriff. Die Mutter wurde nervös, als sie sah, dass die Ehefrau des Mannes entgegen der Absprache nicht mitgefahren war. Sie schwamm dem Boot hinterher. In der Folge flog der Täter auf.

Das Landgericht verurteilte ihn zu vier Jahren und neun Monaten Haft. Es hätte wohl auch Sicherungsverwahrung verhängt, hätten der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und in der Folge das Bundesverfassungsgericht in jüngster Zeit nicht strengere Vorgaben an dieses Verfahren geknüpft. Konnte früher die quasi verlängerte Haft bereits ausgesprochen werden, wenn künftig erhebliche Straftaten zu erwarten waren, so gilt dies jetzt nur bei schweren Straftaten.