Bonner Schau zum Einwanderungsland Deutschland
Bonn (dpa) - „Einmal 33 mit 17“ - so bestellt man heute noch der Einfachheit halber in manchem italienischen oder chinesischen Restaurant.
In den 50er und 60er Jahren fanden die Deutschen auch die Namen ihrer Gastarbeiter so unaussprechlich, dass manche Betriebe sie der Einfachheit halber mit Nummern versahen. „08/15 sofort zum Chef!“ - so ähnlich muss es sich angehört haben. Das Haus der Geschichte in Bonn zeigt jetzt in einer sehenswerten Sonderausstellung die Entwicklung der Bundesrepublik zum heute beliebtesten Einwanderungsland nach den USA.
800 Exponate sind zu sehen, darunter Ikonen wie das Moped, das 1964 der einmillionste Gastarbeiter geschenkt bekam, und Kuriositäten wie der Orden des ersten schwarzen Karnevalsprinzen Balam I. aus Aachen. Auch ein verbogener Nagel ist dabei - er steckte 2004 im Körper eines Juweliers von der Keuptstraße in Köln-Mülheim, der beim Nagelbombenanschlag der Neonazi-Zelle NSU schwer verletzt worden war. Das vielleicht rührendste Ausstellungsstück ist ein selbst gebastelter Ramadan-Kalender, der mit seinen 30 Geschenke-Säckchen einem Adventkalender nachempfunden ist.
Die ersten Gastarbeiter kamen 1955 aus Italien. Im Wirtschaftswunderland herrschte Arbeitskräftemangel, und da das traditionelle Rekrutierungsgebiet der Kaiserzeit - Osteuropa - vom Eisernen Vorhang versperrt wurde, versuchte man es mal mit den „Capri-Fischern“ - so der Titel des meistgespielten Schlagers der ersten Nachkriegsjahre. Olivenöl mussten sich die „Südländer“ anfangs noch in der Apotheke besorgen, ihre „Teigwaren“ begutachteten die Deutschen mit Skepsis: Davon konnte man doch nicht satt werden!
Anfang der 60er Jahre folgten weitere Anwerbeverträge mit Spanien, Griechenland, Portugal, Jugoslawien und der Türkei. Fotos in der Ausstellung dokumentieren die beengten Verhältnisse in den Sonderzügen von Istanbul nach München, die oft mit 1000 Mann und mehr bis auf den letzten Platz besetzt waren. In Film- und Toneinspielungen berichten Gastarbeiter der ersten Generationen über ihre Erfahrungen.
Viele Türken mussten sich in Fabrikwohnheimen zu sechst ein Zimmer teilen. Dort war das Leben streng reglementiert, vom Aufstehen über die Benutzung der gemeinsamen Küchen- und Waschräume bis hin zu Besuchszeiten und Nachtruhe. Die Ausstellungsmacher Jürgen Reiche und Ulrich Op de Hipt haben ein Doppelbett aufgetrieben, in dem die Männer unter Wolldecken mit der Aufschrift „Volkswagen“ schliefen.
1973, im Jahr der Ölkrise, stoppte Deutschland die Anwerbung aus anderen Ländern, und dann dauerte es nicht mehr lange, bis es hieß, die Gäste sollten wieder gehen. „Deutschland ist kein Einwanderungsland!“, war in den 80er und 90er Jahren ein Mantra der Kohl-Regierung. Erst spät kam die Erkenntnis, dass die Bundesrepublik die Integration dadurch „verschlafen“ habe, wie es Bundespräsident Horst Köhler formulierte. Doch auch die Zugewanderten redeten sich lange ein, ihr Aufenthalt sei nur vorübergehend. „Nächstes Jahr gehen wir zurück“, war ein geflügeltes Wort. Wer es tat, stellte oft fest, dass ihm die Heimat fremd geworden war.
„Heute wird unsere Gesellschaft von Einwandern aus verschiedensten Herkunftsländern und -Kulturen wesentlich mitgestaltet“, sagt der Präsident der Stiftung Haus der Geschichte, Hans Walter Hütter. Man denke nur an Pizza, Pasta und Döner. Wer isst dagegen noch Eisbein und Sauerkraut? Das klingt schon so altmodisch! Ungefähr so altmodisch wie „Gastarbeiter“.