Steueraffäre Bono will wieder der Gute sein
Berlin (dpa) - Es ist mehr als nur die übliche Interview-Audienz für ein neues Album. U2-Frontmann Bono gibt sich in einem ausführlichen Gespräch mit der „Süddeutschen Zeitung“ zerknirscht, er übt sich in Demut gegenüber Millionen irritierten Fans, es geht ihm sichtlich um seine moralische Integrität.
Der sonst so selbstbewusst auftretende Sänger der irischen Mega-Band stellt Eigenwerbung und Polit-Parolen hintenan, um in seiner „Paradise-Papers“-Steueraffäre aus der Defensive zu kommen.
„Ich nehme diese Anschuldigungen wahnsinnig ernst. Das betrifft mich und alles, wofür ich stehe, im tiefsten Inneren“, sagt Bono - mit bürgerlichem Namen Paul David Hewson - über das, was vor zwei Monaten ans Licht der Öffentlichkeit gelangte. Nicht zum ersten Mal wird der Rockstar mit Steueroptimierungsmodellen zu Ungunsten seiner Heimat Irland in Verbindung gebracht. In den „Paradise Papers“ geht es nun um Investitionen in Litauen. Die Dokumente zeigen, dass Bono über Firmen in Malta und Guernsey Geld in ein Einkaufszentrum gesteckt hat, das in zehn Jahren keine Steuern auf Gewinne gezahlt haben soll.
Leider sei der Eindruck entstanden, dass er „bei etwas Illegalem erwischt worden“ sei, sagt Bono jetzt dem Blatt, das die peinliche Affäre um Steuersparmodelle von Politikern, Unternehmern und Prominenten erst ins Rollen brachte. Und er räumt ein: „Die Art, wie wir unsere Geschäfte führen, definiert zum Teil unsere Außenwahrnehmung und die unserer Musik.“
Die Negativ-Schlagzeilen und empörten Reaktionen kommen zur Unzeit für U2, deren zweiter Bandboss, Gitarrist The Edge, sich denn auch in dem Doppelinterview knurrig äußert („sehr enttäuschend“). Die seit 40 Jahren bestehende Band - eine der erfolgreichsten aller Zeiten mit geschätzt rund 170 Millionen verkauften Tonträgern - hat am 1. Dezember ihr 14. Studioalbum „Songs Of Experience“ herausgebracht. Wie auf vorherigen Platten sind manche Songs politisch geprägt. Bono engagiert sich seit Jahrzehnten lautstark auch in sozialen Fragen. Ihm wird von Kritikern schon lange vorgeworfen, dass er sich gern als Weltverbesserer aufspiele - und nun als scheinheilig entlarvt sei.
Dem Musiker ist dieser problematische Punkt seiner Außendarstellung bewusst. Bono entschuldigt sich zwar nicht, aber er verspricht größtmögliche Transparenz bei der Aufarbeitung seiner wohl nicht illegalen, aber moralisch angreifbaren Litauen-Connection.
Ihm sei „wichtig, dass unsere Fans Folgendes wissen: Sollte irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sein, würde ich mich darüber mindestens so aufregen wie sie“, betont der Band-Frontmann. Er könne nachvollziehen, dass die Öffentlichkeit von ihm eine höhere Moral erwarte und daher auf solche Immobilien-Investmentfonds und die Veröffentlichung des Namens Bono in den „Paradise Papers“ empfindlich reagiere: „Ich setze diese Standards ja selbst.“
Noch liefen zu den Vorgängen „ausführliche Untersuchungen“, betont Bono. „Es wird nun mindestens einen Monat dauern, bis alles geklärt ist, dann können wir damit vollumfänglich an die Öffentlichkeit gehen.“ Der Musiker lässt erkennen, dass ihm der Gesamtüberblick über das Steuersparmodell fehle: „Ich bin nicht in jedes Detail der in meinem Namen getätigten geschäftlichen Transaktionen involviert.“ Er habe seine Finanzberater daher schon vor Jahren ganz klar aufgefordert: „Haltet die Dinge transparent.“
Merkwürdig klingt aus Bonos Mund freilich dieser Satz: „Dass eine Minderheit durch die Gesetze die ganz legale Möglichkeit hat, sich bessere Ausgangsbedingungen zu verschaffen als die Mehrheit der Menschen, muss unbedingt aufhören.“ Und Bono wäre nicht Bono, wenn er nicht doch am Ende als guter Mensch dastehen wollte: Immerhin verstecke er sein Geld nicht „in fragwürdigen Projekten in Entwicklungsländern“. Außerdem zahle seine Band „überall auf der Welt ganz regulär enorme Beträge an Steuern, auch in Irland“.
Die nach den ersten, abwehrenden Bono-Reaktionen im Oktober nicht unbedingt erwartete Freimütigkeit des „Süddeutsche“-Interviews hat sicher auch mit Sorge um den Erfolg des aktuellen Albums zu tun. „Was mir wahnsinnig leidtut, ist die Tatsache, dass diese Geschichte nun das Wichtigste überlagert: die Musik“, sagt Bono. Denn U2 seien „sehr stolz“ auf „Songs Of Experience“.
Dass die Veröffentlichung unter keinem ganz glücklichen Stern steht, lässt sich womöglich am deutschen Albumcharts-Einstieg auf Platz 2 ablesen - hinter den Rappern Kollegah & Farid Bang. In Großbritannien sprang zunächst nur Rang 5 heraus. Ohnehin haben U2 nach dem Erfolg von „No Line On The Horizon“ (2009) keine Nummer 1 mehr gelandet in den wichtigsten Hitparaden. Stattdessen verärgerte die Band viele iTunes-Nutzer, bei denen das Album „Songs Of Innocence“ 2014 ohne Rückfrage hochgeladen wurde - von „Zwangsbeglückung“ war die Rede.
Da könnte es sich für U2 also auszahlen, nett und bodenständig daherzukommen. Am Mittwoch tauchten Bono und Gitarrist The Edge überraschend im Berliner Untergrund auf, wo sie wie ganz normale Straßensänger mehrere Songs spielten - an der Linie U2.