Braunkohle: Weg frei für Indeschen Ozean
Tagebau bei Inden darf geflutet werden. Stadt Düren ist mit ihrer Klage gescheitert.
Inden. Es dauert noch lange 44 Jahre. Trotzdem scheint Inden seinem Wunsch-See mit dem Urteil aus Münster nähergekommen zu sein. Die rheinische Gemeinde will diesen See unbedingt: elf Quadratkilometer groß, 180 Meter tief — dort, wo jetzt noch gigantische Bagger Braunkohle schürfen. Es wäre der größte in Nordrhein-Westfalen.
Weil das für Landratten so unvorstellbar groß ist, nennen sie ihn „Indeschen Ozean“. Es hat schon einen gewissen Charme, dass er von der Größe her mit dem bayerischen Tegernsee verglichen wird. Tegernsee, das klingt nach schöner Gegend, nach Urlaub. Tatsächlich liegt Inden nicht am See, sondern zwischen Rübenacker und Tagebauloch.
Die Nachbarstadt Düren sieht sich durch den See eingeschränkt und nach Norden abgeschnitten, hat vor dem Verfassungsgerichtshof geklagt und nach dem am Dienstag ergangenen Urteil verloren. Der See darf kommen. Die Änderung des Braunkohlenplans, der ursprünglich die Verfüllung mit Erde vorsah, verstoße nicht gegen Recht und verletze auch nicht die kommunale Planungshoheit, befanden die Richter.
Inden stand lange auf der Verliererseite. 80 Prozent des Gemeindegebiets wurden durch die Braunkohlebagger abgegraben und 60 Prozent der Bewohner vertrieben. Durch die Umsiedlung verlor die Gemeinde 1000 Einwohner. Heute zählt sie 7000 Menschen. 2030 ist Schluss mit dem Tagebau. Dann sind sie mal dran, meinen sie dort.
Die Verfüllung mit Erde war schon beschlossene Sache. Da konnte die Gemeinde zum Erstaunen vieler das Ruder noch einmal herumreißen. Der Braunkohlenplan wurde geändert. Dass bald nach dem Indesee, nur durch eine sechs Kilometer breite Landzunge getrennt, der zweite und dann mit 40 Quadratkilometern wirklich gigantische Tagebausee Hambach entstehen soll, kümmert den Indener Bürgermeister Ulrich Schuster (parteilos) nicht. Bis dahin habe sich Inden als See-Gemeinde längst etabliert. Er streckt dem Gegner nach dem Urteil die Hand aus. Er wünscht sich, dass die Stadt mit der Region zusammen an einem Strang zieht. Als Oberzentrum sei die Stadt ein wichtiger Partner.
Die Stadt Düren verfolgt andere Interessen, nämlich die industrielle Entwicklung. Das bringe Arbeitsplätze. Der geplante Indesee liegt fast komplett auf Indener Grund. Trotzdem fürchtet Düren, dass der ohnehin schon knappe Platz für die eigene Entwicklung noch knapper wird. Im Grenzbereich gilt der Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme. „Die Freizeitidylle passt in unsere Langzeitstrategie wie die Faust aufs Auge“, sagt ein Verwaltungsmann der Stadt.
Mit dem Urteil wird nicht plötzlich alles anders, macht der Dürener Oberbürgermeister Paul Larue (CDU) auf dem Rückweg von Münster deutlich: „Wir bleiben auf jeden Fall an dem Thema. Unsere Bedenken sind inhaltlich nicht weg.“ Der Anwalt werde prüfen, ob es noch andere juristische Wege gibt, um den See zu verhindern. So lange es eine Chance gebe, werde Düren sie wahrnehmen.
Keine Hoffnung mehr hat dagegen Josef Bellartz. Der Landwirt lebt in der Ortschaft Merken, am Südrand des geplanten Sees, und ist Sprecher der Bürgerinitiative gegen den See. „Wir müssen das hinnehmen“, sagt der 63-Jährige resigniert. Der Tagebau hatte ihm viele Felder geraubt, die bekommt er nun nicht zurück.