Britney: Neue Platte, altes Elend
Die Skandalnudel der Popmusik legt zur Abwechslung ein Album vor: lauter lieblose Schnellschüsse.
Los Angeles. Ob ihr überhaupt klar ist, dass sie ein neues Album aufgenommen hat? Bei den diesjährigen MTV Video Music Awards zumindest sah Britney Spears aus, als wüsste sie nicht, wo sie sich gerade befindet, geschweige denn, was sie gerade macht. Wie ferngesteuert taumelte sie zwischen den leicht bekleideten Tänzern hin und her, klammerte sich verzweifelt an ihnen fest und bewegte ihre Lippen asynchron zum Song.
Dabei erstaunten vor allem die Text-Aussetzer. Außer ein bisschen "Gimme, gimme" hat ihre neue Single nämlich nichts wirklich Merk-Würdiges zu bieten. Was vom Musiksender als großes Comeback angekündigt war, endete für Spears in einer weiteren Episode ihrer Eskapaden-Show. Gut für die Gazetten, schlecht fürs Image.
Es musste wieder etwas passieren, und ihre Musik hat Spears bislang noch immer vor dem Totalabsturz gerettet. Ihr letztes Album "In the Zone" (November 2003), ein teilweise intelligent produziertes Stück Pop, lenkte schließlich auch von ihren unkeuschen Interviews ab, in denen sie ihr mühsam zusammen gezimmertes Image von der "letzten amerikanischen Jungfrau" aufgekratzt revidierte. Damals hörten sich die Fans lieber Singles wie "Toxic" und "Everytime" an, als in Britney den psychotischen Kinderstar kurz vor dem Zusammenbruch zu sehen.
Ob das Rezept Popmusik gegen Paparazzi-Photos diesmal funktioniert, lässt sich schlecht vorhersagen. Zwar deuten die mauen Vorverkaufszahlen ihres heute offiziell erscheinenden neuen Albums an, dass Spears in Sachen Selbstdemontage ganze Arbeit geleistet hat. Der lang anhaltende Erfolg ihrer letzten Platte kam allerdings auch erst nach zweimonatiger Zurückhaltung der Käufer.
Das damalige Album hatte aber auch ein bisschen mehr zu bieten als das aktuelle, verzweifelt verruchte Rumgesäusel zwischen erschreckend blass tönenden HipHop-Rhythmen. Bezeichnenderweise heißt das Oeuvre "Blackout" - für die 25-Jährige der erklärte Versuch ihre privaten Peinlichkeiten auszublenden, für die Fans ein weiteres Indiz, dass der einstige Pop-Engel zu tief gefallen ist, um erneut phoenixgleich der Asche zu entsteigen.
Doch die Selbstreferenz geht weiter. "Freakshow", "Get Naked" oder "Why Should I Be Sad" heißen die Songs und spiegeln stichwortartig wider, was der Weltöffentlichkeit beim Betrachten der entblößten Britney, der verzweifelten Britney, der Rabenmutter Britney und der kahl geschorenen Britney durch den Kopf geht: zu früher Erfolg, zu viel Drogen, zu wenig mentale Stabilität. Musikalisch schwappen die zwölf Tracks zwischen früher Madonna, später Kylie und schlecht kopierter Nelly Furtado.
" Baby One More Time" (1999): Der Durchbruch mit keuschen 17. Als Lolita-Luder liefert Spears eingängigen Gebrauchspop.
"Oops! I Did It Again" (2000): Bereits ein Jahr nach dem Durchbruch spielt Spears mit ihrem Image als Megastar und getriebenes Wesen (Nummer-Eins-Hit: "Lucky")
"Britney" (2001): Erste, noch sympathische Eskapaden begleiten die Veröffentlichung ihres dritten Albums, auf dem sie verzweifelt nach Prince klingen will.
"In The Zone" (2003): Diesem teilweise gelungenen Pop-Album ging der Skandal-Kuss mit Madonna voraus.