Bundeswehr macht Bock zum Rentner
Höxter (dpa) - Bis zum Oberfeldwebel hat es Bernhardiner „Sultan“ gebracht: Das historisch verbürgte Tier ist bis heute das berühmteste Maskottchen, das deutsche Soldaten gehalten haben.
„Sultan“ und gleichnamige Nachfolger zogen beim 6. ostpreußischen Infanterieregiment einen Paukenwagen, den man in der Schlacht von Königgrätz 1866 den Österreichern abgenommen hatte. Seitdem sind fast 150 Jahre vergangen und nun muss das letzte Truppenmaskottchen seinen Abschied nehmen, Bock „Josef“.
Oberstleutnant Patrick Gaisbauer - im ostwestfälischen Höxter Kommandeur des ABC-Abwehrbataillons 7 - hört das Wort Maskottchen nicht gern. „Josef ist unser Traditionstier - wie der Geißbock vom 1. FC Köln.“ Jeden Morgen um sieben Uhr steht Josef mit der 2. Kompanie stramm, und er hat ein Marschprogramm wie jeder Soldat: „Einmal am Tag wird er ausgeführt.“ Bei Appellen ist das ein Jahr alte Tier immer dabei. Ansonsten hat die verspielte Ziege ein großes Gehege mit Strohhütte - und einen eigenen ehrenamtlichen Ziegenbeauftragten.
Doch was macht man mit so einem Bock, wenn die meisten Kameraden in den Auslandseinsatz ziehen? „Josef hat es gut gehabt. Aber so ein Traditionstier ist bei einer Einsatzarmee nicht mehr zeitgemäß“, sagte der Kommandeur und bestätigte Zeitungsberichte. Wegen aktueller Missionen in Afghanistan und Kosovo seien viele der Soldaten von Josefs Kompanie fern der Heimat. Die kleine Ziege aber kann die Einheit nicht mitnehmen, selbst wenn sie wollte. Ein solcher Transfer an den Hindukusch oder den Balkan wäre allein schon wegen Quarantänevorschriften nur schwerlich zu machen, erklärte Gaisbauer.
Damit endet nicht nur die Erbfolge der Ziegenböcke Franz-Josef (1973-1986), Charles (1986-1998), Erwin (1998-2010) und Josef (2010-2011). Es endet ein kurioses Kapitel Bundeswehr-Geschichte. „Es könnte noch ein Maskottchen im Ausland geben. Aber in Deutschland ist Josef sehr wahrscheinlich das letzte“, schätzt Historiker Heiner Bröckermann vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Potsdam.
Schon nach dem Zweiten Weltkrieg war die tierische Tradition kurz abgerissen. „Das erste Bundeswehr-Maskottchen war ein Mufflonbock, den das Wach-Bataillon 1958 geschenkt bekam“, erläuterte Oberstleutnant Bröckermann. Irgendwann hatte die Truppe einen kleinen Zoo. Von „Hunderten“ Regimentsmaskottchen berichtet das Standardwerk „Wort und Brauch in Heer und Flotte“ aus dem Jahr 1986. Bröckermann erzählt Faszinierendes - erwähnt Hunde und Wildschweine. „Bei einer Ausbildungskompanie im badischen Todtnau-Fahl gab es sogar bis in die 90er Jahre Gehege mit freilaufenden Hirschen.“
Josef war der letzte seiner Art. Aber er soll ein schönes Zuhause finden. „Wir haben verschiedene Möglichkeiten - vom Bauernhof bis zum Streichel-Zoo. Auf keinen Fall kommt Josef zum Schlachter“, beteuert Gaisbauer.