City Slang feierte ein Wochenende lang

Berlin (dpa) - Zwanzig Jahre Indierock mit Qualitätssiegel ­ das Berliner Label City Slang hatte sich ein rauschendes Geburtstagsfest redlich verdient. Und so wurde denn auch an drei stil- und stimmungsvollen Abenden im Admiralspalast ein Programm voller Höhepunkte aufgefahren.

Calexico, Tortoise, Yo La Tengo, Lambchop ­ Fans anspruchsvoller, eigenwilliger, wagemutiger Rockmusik setzen hinter jeden dieser Bandnamen ein dickes Ausrufezeichen. Nicht alle acht Acts des City- Slang-Festivals vom Freitag bis Sonntag gehören heute noch zur engsten Labelfamilie. Aber alle wussten und wissen die Leidenschaft und Energie zu schätzen, die ihnen Firmenchef Christof Ellinghaus mit seinem umtriebigen kleinen Team teilweise bis heute zukommen ließ.

Aus dieser gegenseitigen Verbundenheit ergaben sich am Wochenende ungewöhnliche oder gar einmalige Programme und Bühnen-Begegnungen. Herausragende Konzerte und die jederzeit entspannte, herzliche Atmosphäre im historischen Palast-Ambiente an der Friedrichstraße ließen auch den Ausfall der deutschen Elektronik-Rock-Band The Notwist („Neon Golden“) leichter verschmerzen: Deren Mastermind Micha Acher hatte sich kurz vor dem Label-Geburtstag am Knie verletzt, der Auftritt wird am 27. Januar 2011 im Berliner Huxley's nachgeholt.

„Wir haben stundenlang 'Neon Golden' geprobt, aber jetzt spielen wir doch lieber unsere eigenen Songs“, scherzte Konstantin Gropper zu Beginn des Auftakt-Konzerts am Freitagabend mit seinem Projekt Get Well Soon. Die begeisterte Reaktion des fast ausverkauften Hauses auf Groppers raffinierte, opulente Popmusik ließ nie den Eindruck aufkommen, dass hier lediglich eine Vorgruppe am Werk war. Die sechs jungen Musiker von Get Well Soon bewiesen über fast eineinhalb Stunden, warum sie auch im Ausland zu den talentiertesten deutschen Bands gerechnet werden. Ein Klasse-Start.

Nach der Absage von The Notwist hatte auch die Hauptband des Abends viel Zeit zur Verfügung. Und die Wüstenrocker Calexico wussten sie zu nutzen. Dem Labelboss Ellinghaus zuliebe führten Sänger/Gitarrist Joey Burns, Schlagzeuger John Convertino sowie ihre vier deutsch-amerikanischen Mitstreiter das Erfolgsalbum „Feast Of Wire“ (2003) in Gänze auf. Auf die 16 fantastischen Album-Songs zwischen Folk, Rock, Mariachi-Gebläse, Elektronik-Experimenten und Jazz folgte ein weitere Stunde „Best of Calexico“.

Virtuosität und Spielfreude dieser Band sind nach zahlreichen Deutschland-Auftritten längst legendär, aber so motiviert wie im Admiralspalast hat man sie lange nicht gesehen. Der öffentliche Dank an ihr Label City Slang, das ihnen weltweiten Erfolg verschaffte und dem sie nun die Treue halten, fiel euphorisch aus. Ebenso reagierte das Publikum auf die kochend heiße Stilmixtur, die Calexico bis Mitternacht ohne Ermüdungserscheinungen zelebrierten. Besser kann ein Dankeschön nicht klingen.

Der Reigen ging es am Samstag weiter mit dem losen kanadischen Kollektiv Broken Social Scene um Sänger und Songwriter Kevin Drew: In Berlin standen bis zu zehn Leute auf der Bühne, die ihren epischen Rock ausbreiteten. Auch die Indie-Band Menomena aus Portland/Oregon stellte ihre Live-Qualitäten unter Beweis, das war Pop mit ganz weitem Horizont. Auf der Höhe der Zeit zeigten sich auch Tortoise, und schön, dass die Truppe um John McEntire in Berlin dabei war, obwohl sie mittlerweile bei einem anderen Label unter Vertrag steht.

Das große Finale leitete der aus Schottland stammende, mittlerweile in den USA lebende Singer/Songwriter Alexi Murdoch mit fein ziselierten Songs ein, bevor die quicklebendigen Indie-Veteranen von Yo La Tengo Bühne und Fans im Sturm eroberten. Die fantastische New Yorker Liveband um Sänger Ari Kaplan und Ehefrau und Drummerin Georgia Hubley gingen zusammen mit ihrem Gitarristen Dave Schramm auf Zeitreise und spielten noch einmal Songs von ihrem bahnbrechenden Folkpop-Album „Fakebook“ (1990), damals eine der ersten Veröffentlichungen bei City Slang. Unglaublich, der ganz undogmatische Pop von Yo La Tengo klang frisch wie am ersten Tag.

Der Saal tobte, erklatschte sich Zugaben, und schaltete erst einen Gang runter, als Kurt Wagner von Lambchop ganz entspannt seine Gitarre auspackte. Das großartige Ensemble aus Nashville spielte, nein, zelebrierte noch einmal sein vielleicht bestes Album, das minimalistische Meisterwerk „Is A Woman“ (2002). Zarte, zerbrechliche Americana, feine Klanggebilde wie Spinnweben im „Cobweb Summer“, so der Titel eines Songs, die nichts von ihrer Magie eingebüßt hatten. So ging die Geburtstagsparty für City Slang verträumt und ganz leise zu Ende - ein großes Wochenende und ein tolles Familientreffen.