David Garrett: Nachts um drei an der Stradivari
David Garrett gibt im Fernsehen gern den Popstar. Wer ihn trifft, hat eher das Gefühl, es mit einem Extremsportler zu tun zu haben. Eine Begegnung zwischen den Welten.
Düsseldorf. Es gibt Menschen, die so oft im Fernsehen auftauchen, dass das Publikum irgendwann glaubt, sie zu kennen. David Garrett gehört dazu. So oft steht der Geiger mit Jeans, Stiefeln und Stradivari in TV-Shows. Er spielt den Hummelflug bei „TV total“ und lässt sich danach in bester Popstar-Manier über sein Liebesleben und seinen Modestil befragen.
Wer David Garrett trifft, hat nicht das Gefühl, dass dieser Mann besonders viel Zeit für Frauen und Klamotten hat. Er wirkt auch nicht wie ein eitler Popstar, sondern eher wie ein hart arbeitender Extremsportler. Bis zu 200 Konzerte gibt der 33-Jährige im Jahr.
„Ich spiele immer mindestens zwei Stunden, immer auswendig“, erklärt er, und könnte jetzt auf die enorme Konzentrationsleistung hinweisen, die allein eine Partitur mit sich bringt. Er macht das Gegenteil: Manchmal würde sich das nach Arbeit anfühlen, aber eben nur an manchen Tagen. „Ich will, dass es unglaublich gut klingt, und ich will dabei eine gute Zeit haben“, sagt der gebürtige Aachener.
Gerade erst stand Garrett in der Düsseldorfer Tonhalle mit seinem aktuellen Klassik-Repertoire auf der Bühne, im Herbst kehrt er mit seiner Crossover-Tournee zurück, für die er Pop- und Rock-Stücke umarrangiert. Während die aktuelle Tournee noch läuft, probt er schon für die nächste — und das richtig. „Bevor ich in eine Probe reingehe, kann ich das Stück so gut, dass ich es nachts um drei spielen könnte.“
Burn-Out, Stress — sind das Fremdwörter für ihn? „Ich mache auch mal Urlaub. Aber nur, damit ich meinen Beruf langfristig ausüben kann.“ Private Fluchten? Persönliche Ziele? „Habe ich nicht, brauche ich nicht.“
Im persönlichen Gespräch umgibt David Garrett nicht die Spur von Arroganz. Und auch keine Bitterkeit, obwohl man es erwarten würde von einem Künstler, der sich in der Klassik-Szene immer wieder dafür rechtfertigen muss, dass er nicht im Frack auftritt und neben Mozart auch noch Michael Jackson im Repertoire hat.
Seine Karriere begann als klassisches Wunderkind. Mit vier Jahren bekam er die erste Geige, mit 13 einen Plattenvertrag und die besten Geigenlehrer seiner Zeit. Doch die konservative Klassik-Karriere war nicht das, was der Sohn eines deutschen Juristen und einer amerikanischen Ballerina wollte.
Mit 19 Jahren brach er aus und ging zum Musikstudium nach New York. Er schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch und erschuf sich als Stargeiger neu. Eine perfekte Geschichte fürs Pop-Geschäft. In der Klassik eher ein Affront. David Garrett sagt, dass er damit leben kann. Die Qualität seiner Musik würde für sich sprechen.
Bis heute geht es ihm vor allem darum, seine eigenen Erwartungen zu erfüllen. „Ich würde nie etwas fürs Publikum maßschneidern. Wenn man versucht, jemanden zu beeindrucken, funktioniert das nie.“