Der „Abfall-Robin-Hood“

Rainer Schäfer sammelt tonnenweise Müll auf — ohne Geld dafür zu bekommen. Der Grund: Abfälle ärgern ihn.

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Trier. Rainer Schäfer ist im Auftrag des Abfalls unterwegs. Mit einer Greifzange hebt der 44-Jährige an einer Straße in Trier Abfall auf und steckt ihn in rote Plastiksäcke. Diese reiht er dann fein säuberlich entlang der Straße auf — so müssen Müllautos sie nur noch mitnehmen. Geld bekommt der Hartz-IV-Empfänger dafür nicht. „Ich sammele seit 28 Jahren Müll aus Leidenschaft“, sagt er. Warum? „Müll ärgert mich. Ich will den Menschen die Augen öffnen, wie viel Müll überall rumliegt“, sagt Schäfer, der in Kröv an der Mosel (Rheinland-Pfalz) in einem Wohnwagen lebt.

Tonnenweise Müll hat der gelernte Heizungsbauer, der sich auch „Abfall-Robin-Hood“ nennt, schon aufgelesen und verpackt. „Ich schaffe 63 000 Liter im Jahr“, sagt er, während er einen neuen Plastiksack entfaltet.

Wenn er mit seiner orangenfarbenen Schutzjacke und seinem grauen Dosen-Sammelbehälter mit Blinklicht auf dem Rücken losgeht, zieht er die Blicke auf sich. „Was ich tue, kommt gut an — solange ich dabei nicht kritisiere“, sagt Schäfer. Er bekomme viel Anerkennung und Lob. Und auch ab und zu mal ein Stück Kuchen oder einen Geldschein zugesteckt. Früher sei er belächelt worden. „Heute aber finden es die Menschen toll, weil es ein ganz anderes Umweltbewusstsein gibt.“

Derzeit säubert Schäfer 186 Kilometer Straßenrand entlang der Deutschen Edelsteinstraße. Bis Ende März will er dort knapp 1,5 Millionen Quadratmeter gereinigt haben. „Wir freuen uns darüber und finden das Engagement sehr lobenswert“, sagt die Leiterin der Tourist-Information Deutsche Edelsteinstraße im rheinland-pfälzischen Herrstein, Karina Wagner. Es sei aber schade, dass das nötig sei.

Die Müllsammelaktionen von Schäfer zeigen offensichtlich bereits erste Effekte: Im vergangenen Jahr habe er in Mainz an ausgesuchten Straßen 600 Tüten Müll gesammelt — wobei pro Stunde 240 Liter Abfall zusammenkamen. Anschließend war er mehrfach erneut an den selben Straßen und fand diese sauberer vor. „Zuletzt habe ich dort nur noch 60 Liter pro Stunde gesammelt“, sagt Schäfer, der vor seiner Arbeitslosigkeit im Jahr 2011 bei der Bundeswehr war und als selbstständiger Unternehmer arbeitete.

In Mainz war man von Schäfers Engagement so begeistert, dass der Entsorgungsbetrieb dem 44-Jährigen im Dezember sogar einen Job als Straßenreiniger angeboten hatte. „Wir hätten ihn gerne in unseren Reihen gehabt, auch um seine Arbeit zu honorieren“, sagt der Sprecher der Stadt Mainz, Ralf Peterhanwahr. Schäfer habe auch sehr abgelegene Bereiche gesäubert, wo der Mainzer Entsorgungsbetrieb nicht hinkomme. „Das war aller Ehren wert, das macht nicht jeder.“ Schäfer hat das Angebot aber abgelehnt, unter anderem, weil er nicht nach Mainz umziehen wollte.

Im Schnitt legt Schäfer um die zehn Kilometer am Tag zurück. Manchmal findet er auch Flaschen oder Dosen mit Pfand. „Von dem Geld kaufe ich mir Müllsäcke und Neues für meine Ausrüstung.“ Auch Geldscheine finde er hin und wieder im Müll. Mit den rund 380 Euro Hartz IV komme er aber „ganz gut über die Runden“. „Ich brauche nicht viel.“