Der Meister der Melancholie

Leonard Cohen ist längst ein Klassiker. Nach einem überstandenen Schwächeanfall feiert der Musiker am Montag mit einem Konzert seinen 75. Geburtstag.

New York. Leonard Cohen ist ein Phänomen. Als alter Mann ist der kanadische Songwriter wieder auf die Bühne zurückgekehrt und begeistert mit einem Tournee-Marathon Millionen Fans in aller Welt. Am Montag wird der Meister der romantischen Tristesse 75 Jahre alt - und feiert seinen Geburtstag mit einem Konzert im Olympiastadion von Barcelona.

Kurzfristig bangten die Fans um den Sänger, nachdem Cohen am Freitagabend in Valencia auf der Bühne einen Schwächeanfall erlitten hatte. Die Veranstalter konnten jedoch schnell beruhigen: Cohen habe lediglich "eine leichte Lebensmittelvergiftung", und der Geburtstagsauftritt könne wie geplant stattfinden. In Valencia hatten die Ärzte ihn sogar davon abhalten müssen, das Konzert noch fortzusetzen.

Auch in Deutschland hat der Musiker seine Anhänger jüngst zu Jubelstürmen hingerissen. Bei zwei Konzerten in Köln und Berlin sorgte er im Juli mit Klassikern wie "Suzanne", "So Long, Marianne" und "First We Take Manhattan" für Begeisterung. Im dunklen Anzug, den zerknautschten Hut tief ins Gesicht gezogen, strahlte er Präsenz aus wie eh und je.

Cohens melancholische Songs handeln von verlorener Liebe und Leid, von Todessehnsucht und Gottessuche. Mit seiner dunklen, rauen Stimme und seinem langsamen Swing passt er musikalisch in keine Schublade, sprachlich sind seine Texte wunderbar polierte Poesie-Kleinode.

Dabei hatte Cohen, in Montreal als Sohn jüdischer Einwanderer geboren, gar nicht Musiker, sondern Schriftsteller werden wollen. Als er 1967 seine erste Platte "Songs of Leonard Cohen" auf den Markt brachte, hatte er sich bereits mit Gedichtbänden und Romanen einen Namen gemacht, unter anderem mit der freizügigen Dreiecksgeschichte "Schöne Verlierer". Das Schreiben blieb auch später sein zweites Standbein. "Ich wollte nicht schreiben, um bezahlt zu werden. Ich wollte für das bezahlt werden, was ich schreibe."

Sein Privatleben hat Cohen, der lange unter Depressionen litt, unter Verschluss gehalten. "Mein Ruf als Frauenheld ist ein Witz", sagte er einmal. "Er hat mich dazu gebracht, mich bitter durch die zehntausend Nächte zu lachen, die ich alleine war."

Immerhin bekam er mit der schwedischen Malerin Suzanne Elrod zwei Kinder, war vorübergehend mit der Schauspielerin Rebecca De Mornay liiert und lebt inzwischen seit Jahren mit seiner früheren Background-Sängerin Anjani Thomas zusammen.

Zu seiner inneren Ruhe dürfte auch die Auseinandersetzung mit dem Zen-Buddhismus beigetragen haben. Obwohl praktizierender Jude, war Cohen kurz vor seinem 60. Geburtstag für fünf Jahre in ein buddhistisches Kloster nahe Los Angeles gegangen. 1996 wurde er unter dem Namen Jikan ("Der Stille") zum Mönch ernannt. "Man lernt, mit dem Jammern aufzuhören", berichtete er später.

Der Neuanfang danach wurde umso schwerer. Seine Managerin und frühere Liebe Kelley Lynch hatte ihn in der Zeit um millionenschwere Rentenrücklagen betrogen. Ein Gericht in Los Angeles sprach ihm 2006 umgerechnet rund sieben Millionen Euro Schadenersatz zu. Bis heute ist unklar, ob er das Geld je bekommt. Seine Welttournee, die nach einer Verlängerung am 13. November im kalifornischen San José zu Ende geht, ist deshalb auch der Versuch, den Ruhestand zu finanzieren.