Der ungeliebte Schützenkönig
Der Türke Mithat Gedik aus Werl soll seine Königskette zurückgeben — weil er muslimische Wurzeln hat.
Werl. Mithat Gedik kann als Musterbeispiel für gelungene Integration gelten — wäre da nicht die Satzung einer Schützenbruderschaft. Der 33-jährige türkischstämmige Muslim ist in Deutschland geboren und aufgewachsen, belegte katholische Religion als Abiturfach und leitet die Niederlassung eines großen Unternehmens in Mannheim. Im westfälischen Werl-Sönnern lebt er mit seiner Frau Melanie und vier Kindern. Er ist in der freiwilligen Feuerwehr aktiv und im Vorstand des Schützenvereins.
Doch nun hat Gedik den Vogel abgeschossen und damit eine Diskussion um Brauchtum, Toleranz und Integration losgetreten: Weil er kein Christ ist, soll er seine Königskette zurückgeben. Der „Westfälische Anzeiger“ hatte am Wochenende über den Fall berichtet.
„Wir haben nicht provozieren wollen, sondern wollten nur ein schönes Schützenfest feiern“, sagt Gedik. Beim Schützenfest am 18. Juli war die Welt noch in Ordnung. Gedik brachte den Vogel zu Fall und wurde von seinen St. Georg-Schützenbrüdern gefeiert. Beim Schützen-Gottesdienst sprach der Pastor von christlichen Werten und Integration.
Doch ein muslimischer Schützenkönig — das geht dem Bund der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften (BDHS) zu weit: Beim Bezirksschützenfest darf der König aus Sönnern nicht antreten. Als Dachverband wacht der Verein auch über die Bruderschaft, wo Gedik aber bereits König ist.
„Wer lesen kann, ist klar im Vorteil“, sagt der Sprecher des BDHS, Rolf Nieborg. „Die haben ihre eigene Satzung nicht gelesen.“ Heißt: Gedik hätte überhaupt nicht Mitglied der Bruderschaft in Sönnern werden können. In der Satzung heiße es, dass die Bruderschaft „eine Vereinigung von christlichen Menschen“ sei.
„Es hat ihn wohl niemand nach seiner Konfession gefragt, weil er so gut integriert ist“, sagt Nieborg. Nun habe sich der Verein, dem mit dem muslimischen Schützenkönig der Rauswurf aus dem Dachverband droht, entschuldigt. „Die haben einen Fehler gemacht und wollen den korrigieren. Die könnten den König um Abdankung bitten oder ihn zum Bürgerschützenkönig machen“, schlägt Nieborg vor.
Gedik schüttelt da nur den Kopf. „Es ist mir unverständlich, dass wir im 21. Jahrhundert solche Diskussionen führen müssen.“ Besonders bedenklich findet Gedik, dass seinem Brudermeister aus den Reihen des Dachverbandes empfohlen worden ist, ihn zum Konvertieren aufzufordern.
Für Gedik ist durch die Geschichte deutlich geworden, dass Integration in Deutschland nur oberflächlich funktioniert. „Da ist Deutschland doch noch nicht so weit.“ Das sieht Nieborg anders: „Wenn ich in einen Fußballverein gehe, kann ich auch nicht sagen: „Wir spielen jetzt Handball.“ Man muss sich an die Satzung halten.“
Gedik will nun gemeinsam mit seinen Vorstandskollegen überlegen, was zu tun ist. Ein Rauswurf aus dem Dachverband hätte negative Folgen. Der Wechsel zum Sauerländer Schützenbund, der einen nicht-christlichen Schützenkönig zulässt, ist auch keine Option. „Abtrünnige werden in den anderen Verbänden nicht aufgenommen“, sagt Nieborg.