Deutsche Auswanderer: Lebensabend unter Palmen
Spätestens mit 50 raus aus dem Stress. Ein Besuch bei deutschen (Früh-)Rentnern auf den Philippinen.
Düsseldorf. "In Deutschland wollte ich nie alt werden", sagt Brigitte Lux, gebürtig aus Ludwigshafen. Die fitte 60-Jährige träumt seit ihrem 27. Lebensjahr von warmem Wetter, einem großen Garten und vom Tauchen vor der Haustür. All das hat sie auf der kleinen Insel Panglao bei Cebu auf den Philippinen gefunden. Seit vier Jahren lebt sie hier und ist begeistert: "Ich habe die Entscheidung noch keinen Tag bereut."
Für Peter Fleischmann (49) aus Bamberg begann der Traum vom paradiesischen Lebensabend wegen der Wirtschaftskrise früher als geplant. "Ich habe immer gesagt: Mit 50 ist Schluss. Dann wollen wir noch was vom Leben haben", meint er, lässig an die Theke seiner Open-Air-Bar auf Panglao gelehnt. Er hatte eine Spedition, doch ging das Transportgeschäft mit der Krise in die Knie. "Da habe ich gedacht: Nichts wie weg." Er kam Anfang des Jahres, seine Frau etwas später.
Franz Seidenschwarz, deutscher Konsul auf Cebu, weiß von 500 Deutschen, die permanent in der Region leben. Doch ist die Meldung freiwillig, die tatsächliche Zahl dürfte deutlich höher liegen. Einige Orte sind bereits bekannt für ihre deutsche Prägung. Das Geschäft mit den (Früh-)Rentnern floriert. Denn vieles ist einfacher auf den Philippinen-und alles billiger.
Brigitte Lux zahlt für ihren Bungalow 360 Euro Miete. "Mit 1000 Euro im Monat muss man hier nicht sparen", sagt sie. Weniger reicht auch, wie Hans und Linda Meyer festgestellt haben. 600 bis 700 Euro geben sie aus, seit sie in Cebu sind. Die beiden sitzen auf ihrer Terrasse, keine zehn Meter vom Meer entfernt. Sie lebten schon auf Mallorca und wollten dort ihren Lebensabend verbringen, als die Preise explodierten. Das Ehepaar kam nach Cebu, war begeistert- und blieb.
Wer eine Rente oder andere gesicherte Bezüge aus Deutschland hat, ist fein raus. "Man sollte jedoch nicht meinen, man könnte sich hier seinen Lebensunterhalt einfach so verdienen", meint einer der Umsiedler. Das funktioniere nur mit dem entsprechenden Kapital-Polster für die erst einmal notwendigen Investitionen.
Die Fleischmanns haben mit ihrem Gesparten "Bohol Sunside", eine Bungalow-Anlage mit Pool, gebaut und wollen von den Mieteinkünften leben. In der Nähe hat sich Hanno Winder aus Dornbirn in Österreich niedergelassen. Der einst international tätige IT-Berater hat sich ein Pensionskassen-Guthaben auszahlen lassen und investiert jetzt mehrere Tausend Euro in eine Anlage für kleine Trinkwasser-Container. "Man kann mit seinem Geld hier bedeutend komfortabler leben als in Europa. Der berufliche Stress ist weg, und das Klima ist besser", sagt er.
Heinz Rüdt (64) aus Waldshut hat als Entwicklungsexperte einige Jahre in Nigeria gearbeitet und fand sich danach in Deutschland nicht mehr zurecht. "Da hat keiner Zeit, da muss man Termine machen, um Freunde zu sehen. Ich verspürte einen großen Freiheitsdrang und wollte weg." Als seine Frau vor 15 Jahren starb, hielt ihn nichts mehr. In Alcoy ist er neu verheiratet und hat zwei Kinder, neun und elf Jahre alt. "Mich zieht nichts zurück."
Tipps haben die Umsiedler von einer Organisation erhalten, die die europäische Handelskammer in Manila mit Kollegen aus den USA, Japan und Südkorea gegründet hat. Die Organisation ICCRHC hilft auch dem Land, sich auf die Bedürfnisse der Spätauswanderer einzustellen. Vorschläge für Schnuppertrips, Versicherungen und Visum gibt es ebenfalls.
Drei Wochen hält Brigitte Lux es heute noch in Deutschland aus, dann setzt das Heimweh ein - nach Panglao. 38 Jahre hat sie in der Personalabteilung derselben Firma gearbeitet. Tauchen, ihre große Leidenschaft, war immer nur im Urlaub drin. Deshalb war klar, dass ihr Rentner-Domizil an einem schönen Korallenriff liegen musste. Ihr Tag besteht aus Lesen, Kochen, die Seele baumeln lassen, erzählt sie entspannt beim Dinner mit fangfrischem Fisch.
Nur wenn die Rede auf soziale Kontakte kommt, werden viele Auswanderer nachdenklich. Margit Fleischmann etwa vermisst die Freunde. Die Zeitverschiebung mache das Telefonieren schwierig, denn wenn man in Deutschland von der Arbeit kommt, ist es in Panglao nach Mitternacht.
"Ein guter Bekanntenkreis? Der hält sich in Grenzen", sagt Brigitte Lux. "Meine Freundin und ich, wir denken, dass es in jedem Land etwa fünf Prozent Leute gibt, die eine Macke haben", sagt Lux kichernd. "Aber irgendwie ballt sich das im Ausland." Zeitgenossen, die sich nach einem bescheidenen Leben in Deutschland hier plötzlich aufführten "wie Larry", hat Lux beobachtet. Oder die über die Einheimischen herziehen. Oder die ihre neu angekommenen Landsleute übers Ohr hauen.
"Ich dachte ein bisschen blauäugig, im Ausland hält man besser zusammen oder wird toleranter", sinniert Brigitte Lux. "Aber manche sind nur stur und stolz."