Ein Schwabe in Israel Deutscher restauriert Bauhäuser in Tel Aviv
Tel Aviv (dpa) - Norbert Hoepfer stakst im Treppenhaus über Betonbrocken und Schläuche. „Das ist so ein Sauhaufen“, schimpft er auf Schwäbisch. Der 55-Jährige trägt Brille, weißes T-Shirt, verstaubte Hose - und einen gelben Helm auf den grauen Haaren.
Das Verständnis für Sicherheit auf dem Bau ist im israelischen Tel Aviv ein anderes als in Deutschland. Das rund 90 Jahre alte Wohnhaus wird grundlegend saniert: Um das Gebäude zieht sich ein Gerüst, statt Fenster gibt es Löcher in den Wänden, ein Bohrhammer rattert.
Hoepfer saniert als Experte für Putzarbeiten seit zehn Jahren Häuser in der Stadt am Mittelmeer, darunter viele Bauhäuser, also Gebäude nach Art der Architektur-, Kunst- und Design-Schule Bauhaus.
Rund 4000 Gebäude dieser Art gibt es in Tel Aviv, die größte Ansammlung weltweit, seit 2003 Teil des Unesco-Welterbes. Die Häuser entstanden ab den 1930er Jahren, als jüdische Architekten vor den Nationalsozialisten aus Deutschland in das damalige Palästina flohen. Streng genommen sind die Häuser im internationalen Stil gebaut.
Flachdächer, Glasfassaden, Rundungen - die Ideen des Bauhauses waren damals revolutionär. Die Gebäude sollten günstig zu bauen sein. Es galt der Leitspruch: Form folgt der Funktion. „Die haben alles über Bord geworfen, was man sich in 8000 Jahren an Gebäuden und Gebäudetechnologien angeeignet hat“, sagt Hoepfer. „Ästhetisch gefällt mir Bauhaus.“ Hoepfer lobt beispielsweise die hohen Decken.
Doch in Tel Aviv, der „Weißen Stadt“, sind viele dieser Häuser in kümmerlichem Zustand mit fleckigen Fassaden, Rissen, und Putz, der abblättert. „Stahlbeton: Nach 60 Jahren geht es ihm an den Kragen, nach 100 Jahren ist der Ofen aus“, sagt der selbstständige Restaurator. Dazu nagen das feuchtheiße Klima und die salzige Meeresluft am Baumaterial.
„Ma Nischma?“ (Wie geht's?), „Beseder.“ (Okay). Hoepfer begrüßt auf Hebräisch einen Subunternehmer, der unter anderem für den Rohbau verantwortlich ist. Er ist arabischer Israeli. Die meisten Arbeiter sind Palästinenser und kommen aus dem besetzten Westjordanland.
Der Subunternehmer lobt Hoepfer. „Wir lernen von ihm die Methode, wie man anfängt, wie man abschließt“, sagt Chafes Kiwuan (46). Die Arbeiter haben alle keine Ausbildung. Mit Hoepfers Vorgaben nehmen sie es trotzdem nicht immer so genau.
„Wenn ich sage, sie müssen den Putz an der Wand nass machen, dann sagen die: Das haben wir gemacht“, erzählt Hoepfer. „Aber ich sehe keinen Schlauch.“ Der Putz sei trocken. „Ich sehe vielleicht nicht so aus, aber ich bin eigentlich Perfektionist“, sagt der gebürtige Heilbronner. „Da muss ich hier Abstriche machen, sonst werde ich verrückt.“ Aufgewachsen ist er im Weinsberger Tal bei Heilbronn.
Hoepfer arbeitet seit 1998 als Kalkputzer, auch wenn er, wie er selbst sagt, „überhaupt keine einzige Stunde verputzen gelernt“ habe. Er studierte Mineralogie in Heidelberg, promovierte in Alpengeologie und fing 1999 an, Materialien für Putz selbst zu entwickeln. Irgendwann fragte ihn ein Kalkputzer aus Israel um Rat. 2007 kam er ins Land und „blieb hängen“, wie er sagt, auch der Liebe wegen. Heute teilt er sich sein Leben zwischen Israel und Deutschland auf.
Hoepfer ist für die Fassaden verantwortlich. Die Kunst sei, den Putz auch eine zehn Meter hohe Wand gleichmäßig aufzutragen, sagt er. „Manche können das und manche nicht.“ Das Problem dabei sei zudem, dass in Israel nicht alle Wände gerade gemauert seien. „Das beult alles kreuz und quer aus.“
Außerdem erschwert der Nahostkonflikt zwischen Israel und den Palästinensern manchmal seine Tätigkeit. Kürzlich habe er seinen besten Mitarbeiter verloren, weil dieser offenbar nicht die richtigen Arbeitspapiere für Israel gehabt habe. „Das war das Alphatier beim Verputzen.“ Die israelische Polizei sei eines Tages vorbeigekommen, erzählt Hoepfer, und habe ihn mitgenommen.
Eine Menge Bauhäuser hat Hoepfer bisher neu verputzt. Sharon Golan Yaron, Programmdirektorin des deutsch-israelischen Zentrums Weiße Stadt, schätzt seine Arbeit. „Er ist halt sehr genau und achtet auch darauf, dass alles so gemacht wird, wie er gesagt hat“, sagt die Architektin. Er habe großes fachliches Wissen, nicht nur darüber, wie man etwas mache, sondern auch über die Materialien, die er verwende.
Hoepfer sieht den Umgang der Tel Aviver mit dem Bauhaus-Erbe kritisch. „Die Denke ist noch nicht da, dass man erhält, was man schon hat“, sagt er. Oft gehe es vor allem darum, die Häuser auszubauen. Der Denkmalschutz sei weniger von Interesse.
Doch die Stadt macht zum Teil strenge Vorgaben. So gibt es für den Schwaben in Israel noch genug zu tun. Immerhin sind schätzungsweise rund zwei Drittel der Bauhäuser renovierungsbedürftig.