Die beleidigten Eidgenossen
Warum Peer Steinbrück den Schweizern mit der Peitsche drohte – und die sich nun an Nazi-Deutschland erinnert fühlen.
Düsseldorf. Peer Steinbrück zählt zu den rhetorischen Ausnahmetalenten - manchmal aber arbeitet sein Mundwerk schneller als sein diplomatisches Gespür, was dann zu Kollateralschäden führt.
Den letzten verursachte der Finanzminister im deutsch-schweizerischen Verhältnis, als er ankündigte, "nebst Zuckerbrot notfalls auch die Peitsche" einsetzen zu wollen, damit die Eidgenossen endlich ihr Bankgeheimnis lüften. "Das Land bietet Konditionen an, die deutsche Steuerzahler dazu bringen, Steuern zu hinterziehen", ätzte der SPD-Politiker. "Deswegen gehört die Schweiz auf die Schwarze Liste."
Seit dem Peitschenknall des Deutschen bebt der Schweizer Volkszorn. Außenministerin Micheline Calmy-Rey bestellte prompt den deutschen Botschafter ein: "Wir sind doch keine Kinder", empörte sie sich, "aber selbst gegenüber Kindern darf man das nicht tun." Und die rechtskonservative Oppositionspartei SVP verglich Steinbrück gar mit den Nazis. Schon als die Schweiz 1934 das Bankgeheimnis einführte, seien heftige Drohungen aus Berlin gekommen.
Dass Steinbrück zum meistgehassten Mann avanciert ist, liegt aber nicht nur an der festen Überzeugung der Eidgenossen, ihr Bankgeheimnis sei ohnehin bereits durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Vor allem bringt sie die Tatsache zum Kochen, dass ausgerechnet ein Deutscher ihnen als Zuchtmeister kommt.
Seit langem wachsen in der Schweiz die Vorbehalte gegenüber dem als übermächtig empfundenen Nachbarn im Norden - dem "großen Kanton", wie es süffisant heißt. Das hat nicht nur etwas mit den Erinnerungen an die Schreckensherrschaft der Nazis zu tun, sondern auch mit den tief verankerten Klischees vom lauten Ruckzuck-Zackzack-Preußen.
Vor allem aber hat die nachbarschaftliche Abneigung damit zu tun, dass immer mehr deutsche Zuwanderer ins Alpenland strömen. 200 000 Bundesbürger leben mittlerweile in der Schweiz, weil es dort mehr Jobs gibt, die Arbeitsbedingungen häufig besser sind und die Gehälter höher.
Mit Argwohn verfolgen die Eidgenossen, wie immer mehr Deutsche Arztpraxen übernehmen oder ins Top-Management drängen. Im Alltag krachen dann die Mentalitäten aufeinander: Die Schweizer, die auch im genervten Zustand die Fassade der Höflichkeit wahren, fühlen sich durch die polternde Direktheit der Deutschen nicht selten an Gefechtspanzer erinnert.
Stefan Fischer, Präsident des Studentenrates der Universität Zürich, spricht von der "Germanisierung" der Hochschulen. "Wir erreichen die Grenze des Erträglichen", schimpfte er kürzlich, an manchen Universitäten werde nur noch hochdeutsch gesprochen. Das wiederum geißelte selbst sein eigener Uni-Rektor als fremdenfeindliche Äußerung.
Dabei gibt es kaum eine schlechte Eigenschaft, die den Deutschen nicht zugeschrieben wird: Sie seien rücksichtslose und miserable Fahrer; außerdem knallten die Nordlichter in ihren hässlichen Totalbequemschuhen und sechsfarbigen Nylonjacken permanent die Hacken zusammen, wenn ein Vorgesetzter oder Polizist nur in Sichtweite sei. Von ihren Schweizer Kollegen werden Deutscheauch als "Gummihälse" betitelt, weil sie angeblich immer dann nicken, wenn der Chef zu ihnen spricht.
Auch wurmt die Schweizer, dass viele Deutsche sie als Bewohner eines niedlichen, verjodelten Landes betrachten, das bis unter die Decke mit afrikanischen Despotengeldern zugepflastert ist. Kein Wunder, dass Peer Steinbrück da nicht so gut ankommt.