Die Diva mit dem Schmollmund wird 75
Paris. Sie ist ein Mythos und Frankreichs Sex-Symbol der sechzigerJahre: ein außerirdisches Geschöpf von makelloser Schönheit, die Fraumit dem Schmollmund. An diesem Montag wird Brigitte Bardot 75.Eigentlich eine Art Nationalfeiertag für die Grande Nation, die "BB"einst weihevoll zu ihrer Nationalfigur erhob, zur "Marianne".
Doch dasprominente Geburtstagskind macht es seinem Vaterland nicht leicht. Dassdie Bardot ihre faszinierende Schauspielerkarriere 1973 abrupt abbrach,weil sie genug hatte vom Rummel um ihre Person, war noch zu ertragen.Doch mit ihrer fanatischen Tierliebe und schlimmen rassistischenWutausbrüchen verstört sie die Nation zutiefst.
Als Brigitte Anne-Marie Bardot, die Tochter des Industriellen Louis"Pilou" Bardot, in den Fünfzigern und Sechzigern in einer kometenhaftenKarriere den Olymp bestiegen hat, zählt sie zu den meistfotografiertenFrauen der Welt. "Brischitt" ist zu einem französischen Luxus-Labelgeworden - so wie teurer Champagner oder eine Cartier-Uhr.
Millionenfach setzen sie BB in Pose - und sie provoziert die Sehnsüchteder Männer: mit den unwiderstehlichsten Lippen der Welt, einematemberaubenden Dekolleté und den sinnlichen, Kajal geschminkten Augen.Die "Ewige BB" - ob mädchenhaft-unschuldig im Blümchen-Bikini am Strandvon Cannes oder später als reifer verführerischer Vamp mit"Sauerkrautfrisur".
Und wie sieht die Traumfrau heute aus? Das wissen allenfalls ihreengsten Freunde, denn BB will auch vom neuerlichen Rummel um ihrePerson nichts wissen. Sie bevorzugt die Abgeschiedenheit ihrerberühmten Villa La Madrague, über die Gunter Sachs (Ehemann Nr. 3)einst drei Tonnen Rosen abwerfen ließ. Kein Wunder, dass sich derMedien-Hype spürbar in Grenzen hält. Immerhin: Dem "Parisien" hat sieein aktuelles Interview gegeben, aber die Fragen an Madame durftenlediglich per Telefax gestellt werden.
Auch der Fotograf konnte sichdie Fahrt an die Côte d'Azur sparen. So behalf sich das Blatt mit einemPorträt von 2004, auf dem die an einer Hüftarthrose leidende BrigitteBardot recht natürlich zu sehen ist: würdevoll zwar, aber faltenreichund mit viel silbrigem Haar, überhaupt so, als habe sie schon langekeinen Friseursalon von innen mehr gesehen.
Aus ihrem gespannten Verhältnis zu Fotografen und Journalisten machtsie keinen Hehl: "Ich habe meine Jugend damit verbracht, vor ihnen zuflüchten; sie haben einen Teil meines Leben verdorben und sind zum Teilsogar für meinen Selbstmordversuch 1960 verantwortlich", sagt sie. Unddie neugierigen Touristen, die immer noch zu ihrer Villa pilgerten undsie daran hinderten zu Baden oder dem Vogelgezwitscher zu lauschen,nennt sie "einen grauenhaften Haufen von Vollidioten".
BB nimmt kein Blatt vor den Mund, das Kino von heute interessiert sienicht mehr. Bezeichnenderweise nennt sie "Die Wahrheit" (1960) ihrenLieblingsfilm gefolgt von "Privatleben" (1962) und "Viva Maria" (1975).Den Durchbruch schafft sie 1956 in Roger Vadims "Und immer lockt dasWeib", wo sie sich nackt hinterm Bettlaken in der Sonne räkelt - undgegen die Moralvorstellungen der verklemmten Fünfziger verstößt. Denersten Tabubruch begeht sie übrigens schon als Vierzehnjährige, als sieim Wohnzimmer ihrer Eltern zum ersten Mal Sex hat: mit besagtem RogerVadim, 1952 ihr erster Ehemann.
Die meisten ihrer Beziehungen enden mit einem Fiasko, so auch die kurzeEhe mit Ehemann Nr. 2 Jacques Charrier. 1960 kommt ihr einziges KindNicolas zur Welt, doch der ungeliebte Sohn wächst bei der Großmutterauf und lebt heute in Norwegen. Simone de Beauvoir, die Mutter allerFeministinnen, war von BB's Lebensstil dennoch derart begeistert, dasssie sie - ebenfalls 1960 - im "Lolita-Syndrom"-Essay auf den Sockelhebt: als den neuen Typus der selbstbestimmten Ehefrau, die Beute undgleichzeitig "Jägerin" ist.
Der mittlerweile sehr entrückten Geehrten hingegen scheinen Menschennicht sehr viel zu bedeuten. Ihr Herz gilt in erster Linie den Tieren,den geschundenen zumal. Mit der "Fondation Brigitte Bardot", derTierschutzstiftung, für die sie ihren gesamten Schmuck verscherbelt,hat sie noch viel vor. Sie will endlich den Pelzhandel und Stierkämpfeabschaffen, Zoos und Zirkusse dicht machen.
Seit 1992 ist Bernard d'Ormale der Mann (Nr. 4) an ihrer Seite, einenger Vertrauter des rechtsextremen Front-National-Chefs Jean-Marie LePen, den BB auch politisch unterstützt. Eine lang anhaltende, aberverhängnisvolle Beziehung. Denn in ihrem letzten Buch "Ein Ruf aus derStille" hetzt sie gegen "illegale Einwanderer, die Kirchen entweihenund besetzen, um sie in menschliche Schweineställe zu verwandeln, wennsie hinter den Altar kacken und ihren widerlichen Geruch im Chorraumverbreiten". Eine Entgleisung, mit der sie sich eine Geldbuße von 5000Euro einhandelt - und zur Persona non grata mutiert.
Lediglich an der Stätte ihrer frühen Triumphe werden sie sich an BB'sGeburtstag vor ihr verneigen - in ihrer Abwesenheit versteht sich. InBoulogne-Billancourt, wo sie ein halbes Dutzend ihrer besten Filmedrehte, wird heute die Ausstellung "Les Années insousciance" - "DieJahre der Sorglosigkeit", eröffnet. Ihr Biograf und BewundererHenri-Jean Servat hat unzählige Filmkostüme, Juwelen, Warhol-Bilder undAutos der Diva zusammengetragen. Tausende Schmollmund-Fotografienzeigen die Filmlegende nur von ihrer schönsten Seite - so schön, dassman(n) seufzen möchte. . .