Die Dresdner Sinfoniker: Ein musikalischer Grenzgang
Die Dresdner Sinfoniker sind bekannt für ihre unkonventionellen Aktionen. Bald spielt das Orchester in den Palästinensergebieten.
Dresden/Ramallah. Die Dresdner Sinfoniker haben sich schon oft als musikalische Grenzgänger erwiesen. Das Ensemble mit Musikern diverser europäischer Spitzenorchester spielt statt Mozart und Brahms lieber Frank Zappa oder Rammstein. Wenige Mal im Jahr kommen die Sinfoniker zu Projekten zusammen. Kommendes Jahr steht ihnen der schwierigste Auftritt bevor. Dann möchten sie im Nahen Osten die „Symphony for Palestine“ aufführen — ein friedensstiftendes Werk in einer wenig friedlichen Region.
Eigentlich sollte die Musik des iranischen Komponisten Kayhan Kalhor schon 2010 zur Wiedereröffnung des Kinos in Dschenin im Westjordanland erklingen. Die Stadt galt lange als Hochburg von Terroristen und ist wegen einer Tragödie bekannt. Dort erschossen israelische Soldaten 2005 den elfjährigen Ahmed Chatib, weil sie seine Wasserpistole für echt hielten. Ahmeds Eltern spendeten die Organe ihres Jungen für fünf israelische Kinder. Der Film „Das Herz von Jenin“ des deutschen Regisseurs Markus Vetter erzählt davon. Ein zweiter Teil „Cinema Jenin“ berichtet vom Wiederaufbau des Kinos.
Seither ist auch Markus Rindt, Intendant der Dresdner Sinfoniker, mit dem Westjordanland verbunden. Zur Eröffnung des Kinos konnte das Orchester nicht auftreten, weil der Chef des Freedom Theatres in der Stadt, Juliano Mer-Chamis, kurz zuvor ermordet worden war. Doch Rindt gab den Traum von einem Gastspiel nie auf. Seither war er mehrfach in der Region unterwegs, vieles hat sich ihm ins Gedächtnis eingebrannt. Die israelischen Siedlungen im Westjordanland haben auf Rindt wie Trutzburgen gewirkt — nachts hell beleuchtet, während die Umgebung weitgehend im Dunkeln lag. „Dort gibt es immer fließendes Wasser, ganz anders als in den Palästinensergebieten“, erzählt der Musiker.
Rindt hat Fotos von Kindern gemacht, die in staubiger Erde mit Schwimmringen spielen. Doch immer wieder ist er trotz der widrigen Umstände auf eine große Gastfreundschaft gestoßen — bei Israelis und Palästinensern gleichermaßen.
Auch deshalb möchte Rindt das Orchester unbedingt in den Nahen Osten bringen — und für Palästinenser öffnen: Zehn Plätze bleiben Einheimischen vorbehalten, wenn die Sinfoniker im Mai im Westjordanland, in Nazareth und im Osten Jerusalems spielen.
Die aktuellen Nachrichten von eskalierender Gewalt in Nahost haben bei Rindt und Kollegen Bestürzung ausgelöst. Doch aufgeben will bisher keiner bei einem Projekt, für das die Kulturstiftung des Bundes 190 000 Euro bereitstellt. Die Sinfoniker glauben an die völkerverbindende Wirkung der Musik und hoffen auf Einsicht. „Gewalt provoziert Gegengewalt. Ich wünsche mir, dass auch die Radikalen unter den Palästinensern dies endlich begreifen und der Teufelskreis durchbrochen wird. Vielleicht kann die „Symphony for Palestine“ ein kleiner Beitrag im äußerst komplexen Friedensprozess sein“, sagt der Intendant.