Literaturnobelpreis Dylans Thronfolger: Kürt die Nobel-Jury einen Klassiker?

Stockholm (dpa) - Jury-Chefin Sara Danius spricht nur vom „Dylan-Abenteuer“ - und scheint froh, dass es endlich überstanden ist. Der Literaturnobelpreis 2016 hat so viel Aufregung produziert wie selten zuvor.

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Erst schwieg Bob Dylan, dann kam er nicht zur Preisverleihung, reichte seine Vorlesung am Ende als Tonaufnahme hauchdünn vor Ablauf der Frist ein. Einige sahen mit der Vergabe an den Musiker schon den Untergang des altehrwürdigen Preises.

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Jetzt also auf ein Neues: In wenigen Tagen wird der Nobelpreisträger 2017 verkündet. Der genaue Termin steht noch nicht fest, er wird traditionell erst kurz zuvor bekanntgegeben. Für Kenner ist klar: Eine Wiederholung des „Dylan-Abenteuers“ kann die angesehene Schwedische Akademie nicht wollen. Doch geht sie deshalb auf Nummer sicher?

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„Ich denke, jetzt ist Adenauer-Zeit: Keine Experimente“, sagt der schwedische Verleger Svante Weyler. In den vergangenen Jahren habe die Akademie Grenzen sprengen wollen - und das mit der Vergabe an die fast dokumentarisch erzählende Weißrussin Swetlana Alexijewitsch 2015 und an Songwriter Dylan 2016 auch getan. „Wenn sie das aber so weiter macht, wird der Preis seine Autorität verlieren“, warnt Weyler. Er charakterisiert die Jury so: „Ein gewisser Konservatismus mit kleinen Überraschungen alle paar Jahre.“

Einige Jury-Mitglieder dürften den Preis für den Rockstar inzwischen bereut haben. Nach der Vergabe musste das traditionsreiche Gremium ganz schön einstecken. Kritiker schrieben von „Trumpifizierung des Nobelpreises“. Jury-Chefin Danius musste die Entscheidung wieder und wieder verteidigen: Ein Nobelpreisträger müsse die Literatur erneuert haben, sagte sie.

Trotzdem könnte es in diesem Jahr auf einen Klassiker hinauslaufen. Auf den Wettlisten bei Anbietern wie Ladbrokes dominieren jedenfalls bekannte Namen wie der Japaner Haruki Murakami, die Kanadierin Margaret Atwood und der Israeli Amos Oz. Das sagt Wochen vor der Preisvergabe allerdings noch wenig. Zuletzt hatten sich die Gewinner häufig erst in letzter Minute unter die Top Fünf gestohlen.

Ganz oben steht der Kenianer Ngugi Wa Thiong'o - auch einer der ewigen Favoriten, die am Ende dann doch nie zu gewinnen scheinen. „Wir wissen: Wenn jemand drei Jahre auf der Shortlist der Nobeljury gestanden und keine Mehrheit bekommen hat, ist er weg vom Fenster“, sagt Weyler.

Könnte es trotzdem Zeit für einen afrikanischen Literaturnobelpreisträger sein? Der „wahrscheinlichste Kandidat“ sei dann tatsächlich Wa Thiong'o, meint der Literaturwissenschaftler Stefan Helgesson von der Stockholmer Universität. Sein Werk habe „das Volumen und die Bedeutung“. Auch Nuruddin Farah aus Somalia habe einen Nobelpreis verdient.

Doch kann man überhaupt fragen: Wer ist dran? Die Jury verneint immer, dass sie ihre Entscheidungen auf Proporz gründet. Das wäre auch unfair, meint Weyler. „Wenn man jedem Kontinent gleich viele Preise gäbe, wäre das, als würde man sagen 'Deutschland hat zu viele Fußball-Weltmeisterschaften gewonnen, jetzt ist jemand anderes dran'.“

Was aus Sicht von Kennern auch gegen einen Afrikaner spricht, ist der Kulturunterschied. Echte afrikanische Literatur werde in Europa - und auch von der westlich geprägten Nobel-Jury - oft nicht verstanden. Der Meister unter den afrikanischen Literaten habe nie einen Nobelpreis bekommen, meinen sie: Der 2013 verstorbene Chinua Achebe, der so afrikanisch und authentisch geschrieben habe wie kaum ein anderer.

„Ich würde eher nach Europa schauen, jetzt, da die USA einen Preisträger haben“, bringt der der frühere Kulturchef der Zeitung „Göteborgs Posten“, Mikael van Reis, ganz neue Favoriten ins Spiel. Deutschsprachige Autoren wie Botho Strauß dürfe man nicht vergessen. „'Die Fehler des Kopisten' ist ein sehr guter Roman und 'Paare, Passanten' hervorragende Prosa“, sagt van Reis. Auf den Wettlisten taucht Strauß nicht auf. Doch dafür ist ja auch noch früh - und die Jury liebt es zu überraschen.