Weihnachtsbräuche Ein Scheißerchen im Stall: Kataloniens kuriose Krippenkunst
Barcelona (dpa) - Die Krippenszene ist malerisch: Maria und Josef bestaunen das Jesuskind, ein Engel verkündet den Hirten auf dem Felde die frohe Botschaft, Schafe, Ziegen und Esel bevölkern den Stall und die Heiligen Drei Könige eilen mit Geschenken herbei.
Aber was ist das? Hinten in einer Ecke hockt Donald Trump und verrichtet mit heruntergelassenen Hosen und von der Idylle gänzlich ungetrübt sein Geschäft. Der neugeborene Messias scheint sich derweil an dem defäkierenden künftigen US-Präsidenten nicht zu stören - denn ein „Caganer“ (kleiner Scheißer) gehört im nordspanischen Katalonien schon seit Jahrhunderten zu den traditionellen Krippenfiguren.
Aber was haben blanke Hintern und braune Häufchen eigentlich mit Weihnachten und dem Jahresende zu tun? „Es heißt, dass es Unglück bringt, sie nicht aufzustellen, weil Fäkalien die Erde fruchtbar machen und die Caganer deshalb Glück und Fröhlichkeit für das kommende Jahr verheißen“, beschreibt die Webseite „ caganer.com“ die Historie des kuriosen Brauchs.
Während die Scheißerchen ursprünglich als Bauer mit roter Mütze, Schal und Pfeife dargestellt wurden, sind Satire und Fantasie seit einigen Jahren keine Grenzen mehr gesteckt. Ob Politiker, Schauspieler, Musiker oder Fußballer - in Barcelona und der gesamten Region Katalonien werden sie alle gleichermaßen aufs Korn genommen und in entblößter Hockstellung feilgeboten. Denn schließlich gelten die Figuren auch als Ausdruck des ironischen Stils der Katalanen.
Der frisch gewählte US-Präsident Trump mit roter Krawatte und die unterlegene Hillary Clinton im blauen Kostüm gehören in diesem Jahr erstmals zum Sortiment. Aber auch Angela Merkel, Marilyn Monroe, Mahatma Gandhi, William und Kate, Shakira, Lionel Messi und sogar Papst Franziskus wurden bereits Kot ausscheidend in einer Krippe gesichtet. Bei der abstuhlenden Figur Barack Obamas war statt seines Namens ein etwas zweideutiges „Yes, we can“ zu lesen.
Vor allem Kindern ist es eine Freude, die reich bestückte Krippe nach dem meist gut versteckten „Caganer“ abzusuchen. Und selbst das Königshaus und die katholische Kirche Spaniens haben die kuriosen Figuren schon längst als Teil der Tradition akzeptiert.
Aber es gab auch schon Ärger. So wurde vor 15 Jahren einem Konditor aus der Stadt Gerona mit Anschlägen gedroht, weil er den damaligen portugiesischen Fußballstar Luis Figo als Caganer im Schaufenster aufgestellt hatte. Der Zuckerbäcker weigerte sich dennoch standhaft, den Schoko-Figo und sein Häufchen zu entfernen und zeigte sich verwundert über die Empörung der Fans: „Ich habe schon Politiker wie den (früheren) spanischen Ministerpräsidenten Jose Maria Aznar als Caganer dargestellt, und es gab nie Ärger.“ Sicherheitskräfte stellten den Bäcker aber dennoch vorsichtshalber unter Polizeischutz.
Seit einigen Jahren hat der Caganer übrigens einen Gefährten: Den Pixaner. Dabei handelt es sich um ein Männchen mit offenem Hosenstall, der die Felder auf seine ganz eigene Weise bewässert.
Eins ist sicher: Alle Menschen verspüren irgendwann den Drang, ein stilles Örtchen aufzusuchen, vor 2000 Jahren in Bethlehem genauso wie heutzutage in Barcelona. Die Caganer haben somit auch eine fröhliche Botschaft, die irgendwie zu den Festtagen passt: In ihren intimsten Momenten - wenn sie die Hosen herunterlassen und ihrem grummelnden Darm nachgeben - sind alle Menschen gleich, ganz egal ob sie Portier, Papst oder Präsident sind.