Eine Berlinerin, fünf Länder und 365 Komplimente

Berlin (dpa) - Ein Jahr lang jeden Tag ein Kompliment - diese Mission verfolgt die Berlinerin Rosa Stark und bloggt darüber. Damit will sie Menschen glücklich machen. Komplimente können aber auch nach hinten losgehen.

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Rosa Stark hat eine Mission: „Ich will die Welt zu einem besseren Ort machen“, sagt die junge Frau mit dem Dutt und den rot geschminkten Lippen in einem Berliner Café. Wie die 23-Jährige dieses Ziel erreichen will? Mit einer Kompliment-Offensive. Jeden Tag sagt die junge Frau einem Fremden oder einem Bekannten etwas Nettes - über die Reaktionen und ihr eigenes Gefühl dabei berichtet sie auf ihrem Blog „ a compliment a day“ (ein Kompliment pro Tag).

Die Idee zu ihrem Komplimente-Blog hatte die Psychologie-Studentin am Gare du Nord in Paris. Mitten im Gedränge des Bahnhofsvorplatzes sah sie eine Frau. „Sie hat da gewartet, nichts gemacht und einfach unfassbar ausgesehen.“ Erst habe sie sich nicht getraut, der Wartenden das auch zu sagen - aus Angst, abgelehnt zu werden. Dieses Argument wollte sie nicht gelten lassen. „Sie sehen aus wie ein Kunstwerk“, ließ sie die Frau schließlich wissen - und bekam eine spontane Umarmung zurück.

Seit Juni vergangenen Jahres hat Rosa Stark 133 Menschen samt Kompliment und Foto auf ihrem Blog verewigt, 365 sollen es am Ende werden. Einem Düsseldorfer Taxifahrer sagte sie: „Sie wissen einfach alles über Düsseldorf und Ihre Gedanken über das Leben sind sehr weise!“ Für sein Stilgefühl lobte Rosa Stark einen Kommilitonen: „Dir gegenüber zu sitzen ist immer eine ästhetische Freude.“ Und ihrer Schwester schrieb die Berlinerin zu Weihnachten einen Brief mit allen Eigenschaften, die sie an ihr schätzt. Diese Bescherung sei die schönste seit vielen Jahren gewesen.

Auf Freundlichkeitsmission war Rosa Stark bereits in Deutschland, Norwegen, Dänemark, Frankreich und den USA. „Ursprünglich musste ich mich jedes Mal überwinden“, sagt sie. „Heute mache ich ganz natürlich zehn Komplimente am Tag.“ Bis auf ein einziges Mal hätten die Empfänger allesamt positiv reagiert. Und auch sie selbst fühle sich hinterher stets besser als vorher.

„Komplimente stärken das Selbstwertgefühl“, sagt Peter Walschburger, Professor für Biopsychologie an der Freien Universität Berlin. „Die meisten von uns sind abhängig vom Applaus der anderen. Komplimente sind das Schmiermittel im sozialen Getriebe.“ Einzige Ausnahme sind für Walschburger Nettigkeiten mit Kalkül. „Wenn der Empfänger sich ausgenutzt fühlt, wirkt das sehr negativ“, schränkt der Professor ein. „Einschmeicheln stößt ab.“

Auch Rosa Stark hat die Erfahrung gemacht, dass Fremde auf ihr Lob zunächst oft irritiert reagieren - besonders bei den Berlinern. „Was will die von mir?“, fragten sich erst viele. „Und dann kommt der Moment, an dem sie verstehen, dass ich gar nichts von ihnen will, und sie freuen sich.“

Wer sich worüber freut, das hänge auch von der Kultur eines Landes ab, weiß Christoph Wulf, Professor für Anthropologie an der Freien Universität Berlin. „In Skandinavien und in Deutschland ist man mit Komplimenten eher zurückhaltend.“ Sie fielen vorsichtiger und weniger blumig aus als beispielsweise in südlicheren Ländern. „In manchen Kulturen sind Komplimente hingegen eine Notwendigkeit“, erklärt Wulf. „Sie werden erwartet.“

Rosa Starks Grundregel für ein gelungenes Kompliment ist ganz einfach: „Man muss das Denken ausschalten und Herz und Bauch anschalten. Solange man wirklich berührt ist und das kommuniziert, gibt es keine besseren oder schlechteren Worte.“