Er kämpfte, um lesen zu können
Pascal Hermeler war einer von 7,5 Millionen deutschen Analphabeten. Heute ist er Buchautor und Dichter.
Münster. Manchmal kann Pascal Hermeler gar nicht glauben was er aus sich gemacht hat. Dass er nicht mehr der introvertierte Junge von damals ist, der sich aufgegeben hat. Pascal Hermeler ist heute 20 Jahre alt, Buchautor und Bühnenredner. Vor einigen Jahren schien das undenkbar.
Denn bis zu seinem elften Lebensjahr war Pascal Hermeler funktionaler Analphabet. Er gehörte zu den 7,5 Millionen Menschen in Deutschland, die keine einfachen Texte lesen und schreiben können. Nicht weil sie nicht könnten. Sondern häufig einfach nur, weil sie von Anfang an in der Schule nicht mitgekommen sind.
Für Pascal Hermeler, der aus der Nähe von Münster kommt, war Schule eine Qual. „Bei Leseübungen habe ich mich weggeduckt oder solange gestört, bis ich vor die Tür geschickt wurde. Dann hatte ich mein Ziel erreicht, bloß nicht lesen zu müssen“, erinnert er sich.
Von Anfang an hatte er das Gefühl, von der Lehrerin ausgeklammert zu werden. „Sie war mit mir überfordert. Ich war für sie ein extrem anstrengendes Kind“, sagt er heute. Nach der vierten Klasse sollte der Junge auf eine Sonderschule gehen.
„Aber meine Mutter hat für mich gekämpft. Sie hat durch Tests bewiesen, dass mein IQ überdurchschnittlich ist. Sie hat sich zur Lernhilfe ausbilden lassen und von da an vier Jahre mit mir Lesen und Schreiben trainiert“, erinnert sich der junge Mann.
Mehrfach wechselte er die Schule, war schließlich auf einem Berufskolleg. Doch die großen Fortschritte machte er weiterhin zu Hause.
Weil er sich gern Geschichten ausdachte und diese festhalten wollte, fing er an, an einem Roman zu arbeiten. Im Alter von 14 Jahren war das Fantasy-Abenteuer „Shawn Stone — die Macht der Magie“ fertiggestellt. „Es enthielt mehr Fehler als Wörter. Man hat gesehen, dass ich eine Schreibschwäche habe, aber man konnte es lesen“, erinnert er sich.
Hermeler fand einen kleinen Verlag, der das Buch 2008 nur minimal verändert veröffentlichte. Seither galt er einerseits als jüngster Fantasy-Autor Deutschlands und andererseits als Hoffnungsträger für andere Betroffene.
Heute würde sich Pascal Hermeler selbst nicht mehr als Analphabet bezeichnen. „Aber über wichtige Texte lasse ich immer noch jemanden drüber schauen. Es sind zu viele Fehler drin“, sagt er.
Inzwischen veranstaltet und moderiert Henseler Lesungen freier Autoren, sogenannte „Poetry Slams“. Zudem hat er die Initiative „Poeten gegen Analphabetismus“ gegründet, die Aufklärungsarbeit mit Spontan-Lesungen in Fußgängerzonen leistet. Hermelers Botschaft: „Analphabetismus steht nicht für Dummheit, sondern dafür, dass etwas falsch gelaufen ist.“