Erdbeben-Urteil erzürnt Wissenschaftler
Forscher sollen ins Gefängnis, weil sie die Katastrophe in Italien 2009 nicht vorhergesagt haben. Es starben 300 Menschen.
Rom. Wissenschaftler weltweit sind empört. Ein Richter in Italien hat sieben Erdbebenforscher zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt, weil ihre Warnungen vor dem Erdbeben von L’Aquila „ungenau, unvollständig und widersprüchlich“ waren.
Bei dem Beben der Stärke 6,3 waren am 6. April 2009 mehr als 300 Menschen getötet worden, Zehntausende wurden obdachlos. Hätte eine solche Tragödie vorhergesehen werden können?
Seit Januar wurden in der Region seismologische Aktivitäten verzeichnet. Einige Anwohner schliefen in Autos, um schnell fliehen zu können. Der Wissenschaftler Giampaolo Giuliani hatte bereits im März Bewohner aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen. Dann wurde er wegen Fehlalarms bei der Polizei gemeldet und musste seine Internetseite löschen, auf der er gewarnt hatte.
Um die Bevölkerung zu beruhigen, tagte am 31. März eine Kommission aus Experten. Im Protokoll hieß es, es sei „unwahrscheinlich“, dass auf die Erdstöße ein großes Beben folgen würde. Gleichzeitig wurde betont, „es existieren keine Instrumente, um Vorhersagen zu machen“.
Aber Bernardino De Bernardinis, einziges Mitglied der Kommission, das kein Wissenschaftler war, gab in der Presse Entwarnung: „Keine Gefahr“, hatte der ehemalige Vizechef der Zivilschutzbehörde gesagt. Wie Verwandte berichteten, überzeugte er damit 29 Menschen in ihren Häusern zu bleiben, als die Erde bebte. Die Angehörigen zerrten die Experten vor Gericht. Sie wurden zu je sechs Jahren Haft verurteilt.
Die Behauptung von De Bernardinis sei falsch gewesen, sagt der Seismologe Roger Musson. Gleichzeitig kam dort aber die Frage auf, warum dafür die Wissenschaftler der Kommission bestraft würden. Enzo Boschi, Seismologe in der verurteilten Expertenkommission, bestritt, den Bewohnern versichert zu haben, es sei alles in Ordnung. „Wir Seismologen können Erdbeben nicht vorhersagen. Es ist unmöglich, sie vorherzusehen.“