Ermittler stellen Unterlagen zu Unglücksbergwerk sicher
Unterbreizbach/Kassel (dpa) - Die drei Bergleute hatten keine Chance: Sekundenschnell verbreitete sich eine gewaltige Menge giftigen Gases tief unter der Erde. Das Ausmaß des Grubenunglücks in Thüringen schockt selbst Fachleute.
Für ihre Ermittlungen stellte die Staatsanwaltschaft am Mittwoch Werksunterlagen sicher. Außerdem sollten die vier überlebenden Bergleute vernommen werden, teilte die Behörde mit. Bergamt und Staatsanwaltschaft ermitteln, wie es zu dem gewaltigen Gasausbruch nach einer Routinesprengung in der Kali-Grube Unterbreizbach kommen konnte.
Die Ermittler können wegen der hohen Kohlendioxid-Konzentrationen noch nicht an den Unglücksort vordringen. Die Staatsanwaltschaft untersucht nach eigenen Angaben, ob es möglicherweise ein Verschulden Dritter gegeben habe. Die Ermittlungen stünden aber noch am Anfang. Nach Angaben der Werksleitung wird die Grube wegen des Gases wahrscheinlich für Tage gesperrt bleiben.
An der Unglücksstelle in der Kali-Grube Unterbreizbach erinnerten Blumen und Kerzen an die Opfer der Tragödie in 700 Metern Tiefe. Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) sagte bei ihrem Besuch dort, das Unglück habe ganz Thüringen schockiert. Das Land wolle für die toten Bergleute eine Gedenkfeier ausrichten. „Jetzt ist die Stunde, in der die Trauer überwiegt.“
Die Sprengung, mit der Kalisalze aus dem Gestein gebrochen werden, hatte am Dienstag zunächst sieben Bergleute eines Erkundungstrupps eingeschlossen. Vier von ihnen wurden gerettet. Sie seien inzwischen nicht mehr in ärztlicher Behandlung, teilte der Grubenbetreiber K+S Kali GmbH mit. Die drei toten Bergleute im Alter von 24, 50 und 56 Jahren wurden am Mittwochmorgen geborgen. Die Gerichtsmedizin soll ihre genaue Todesursache klären.
Die drei Männer starben nach ersten Ermittlungen, weil Kohlendioxid in großer Menge explosionsartig freigesetzt wurde. Das tödliche Gas habe sich in Sekundenschnelle über viele Kilometer in der Tiefe ausgebreitet, sagte der Vorstandschef der K+S AG (Kassel), Norbert Steiner. Die Bergleute hätten es wahrscheinlich nicht mehr geschafft, ihre Schutzmasken aufzusetzen. Nach menschlichem Ermessen habe sich der Voraustrupp, der routinemäßig die Gefährdung in der Grube nach Sprengungen untersucht, in einem sonst sicheren Gebiet in dem weit verzweigten Grubensystem aufgehalten.
Das Unglück mache die 14 000 Beschäftigten des Kali- und Düngemittelkonzerns K+S mit mehreren Werke in Thüringen und Hessen betroffen, sagte Steiner. Der Vorstandsvorsitzende des DAX-Konzerns sicherte den Angehörigen der toten Bergleute Unterstützung zu. Ihnen wurde auch psychologische Betreuung angeboten.
Der Gasaustritt in der Tiefe hatte eine immense Druckwelle ausgelöst, die eine riesige graue Wolke über dem Werksgelände aufsteigen ließ. Werksleiter Rainer Gerling sieht aber keine Versäumnisse beim Arbeitsschutz. Nach bisherigen Erkenntnissen seien alle Regeln eingehalten worden. Nach Abschluss der Untersuchungen solle auch das Sicherheitskonzept der Grube überprüft werden.
Der Professor am Institut für Bergbau und Spezialtiefbau der sächsischen TU Freiberg, Helmut Mischo, bescheinigte dem K+S-Konzern höchste Sicherheitsvorkehrungen. Der deutsche Bergbau sei sowohl im internationalen Vergleich als auch im Vergleich mit anderen Branchen eine der sichersten Industrien. „Doch auch wenn wir alle technischen Möglichkeiten ausschöpfen, kann ein grundsätzliches Restrisiko nicht ausgeschlossen werden.“
Dass in den Lagerstätten im Werra-Revier Kohlendioxid gebunden ist, ist den Fachleuten seit Jahrzehnten bekannt. K+S trifft dafür unter anderem mit Erkundungsbohrungen entsprechende Vorkehrungen. Der Bezirksleiter der IG Bergbau-Chemie-Energie, Friedrich Nothhelfer, sagte der Nachrichtenagentur dpa, die Sprengung habe vermutlich die größte Kohlendioxid-Blase in der Geschichte des deutschen Bergbaus freigesetzt. „Derartige Grubenunglücke wie in Unterbreizbach gehören zu den großen Ausnahmen.“