Erste Stierhatz in den USA: Sonne, Fiesta und viel Adrenalin
Petersburg (dpa) - Ein Hauch von Alter Welt wehte über das Festgelände der US-Ostküstenstadt Petersburg, als dort am Samstag die Stiere los waren. Tausende Kilometer von Pamplona in Spanien und seiner berühmten Stierhatz entfernt, erlebten 4000 Besucher, wie es ist, vor einem Stier herzurennen.
Sonne, Fiesta und viel Adrenalin, so wird ihnen das erste Stiertreiben der USA in Erinnerung bleiben.
Der amerikanische Schriftsteller Ernest Hemingway (1899-1961) hatte die „Sanfermines“ von Pamplona in seinem Roman „Fiesta“ einst berühmt gemacht. Sein Landsmann Rob Dickens ließ sich davon inspirieren. Am Stadtrand von Petersburg im Bundesstaat Virginia organisierte er auf einem Rennbahngelände „The Great Bull Run“, das große Stierrennen.
„Wir sind die ersten der ersten in Amerika“, jubelte Patrick Murphy aus Tennessee, nachdem er mit seiner Ehefrau Laura das erste Rennen gelaufen war. „Es war aufregend und nervenaufreibend zugleich, eindrucksvoll und furchterregend“, fand die Studentin Athene Ethan aus Norfolk, nachdem sie den mächtigen Stieren entkommen war.
Puristen dürften beim Stiertreiben à la americana die Nase rümpfen. Zwar trugen etliche Teilnehmer stilecht weiße Kleidung mit rotem Halstuch. Doch dazwischen mischten sich viele Läufer in Sportdress oder auch als Superman, Batman oder Wikinger verkleidet. Anders als in Pamplona ging es in Petersburg auch nicht durch verwinkelte Altstadtgassen, sondern über einen absteckten, geraden Parcours von 400 Metern Länge. Bei jedem Rennen gingen 500 Menschen an den Start, aus den Lautsprechern dröhnte Western- und Rockmusik.
Auch zwei Cowboys hoch zu Pferde waren dabei. Sie trugen Lassos, um zur Not einen wild gewordenen Stier einzufangen. Bei den amerikanischen Bullen handelt es sich aber nicht um Kampfstiere. Sie sind zwar größer als ihre spanischen Artgenossen, aber nach Aussage von Dickens weniger aggressiv. Und ihre Hörner sind nicht so spitz.
Trotzdem hatte Dickens vorgesorgt, um sich gegen Klagen abzusichern. Jeder Teilnehmer musste eine Erklärung unterschreiben, dass er sich aller Risiken bewusst sei und die Verantwortung übernehme. „Wenn es nicht gefährlich wäre, würde niemand teilnehmen wollen. Es gibt kein einziges berühmtes Event mit dem Namen "Gehen wir den Bürgersteig runter"“, sagte Dickens der Nachrichtenagentur dpa. Er selbst sei nie in Pamplona gewesen, gab er zu. Für viele Amerikaner sei das zu weit und zu teuer.
Bis zum Nachmittag gab es nur einige Leichtverletzte. Bei einem der letzten Rennen wurde ein Teilnehmer aber etwas ernster erwischt - anscheinend am Bein - und ins Krankenhaus gebracht. Nähere Angaben zur Art der Verletzung machten die Veranstalter nicht. Bei dem einwöchigen Fest in Pamplona werden jedes Jahre Dutzende Läufer verletzt, in manchen Jahren gibt es auch Tote.
Nicht jeder kam in Petersburg auf seine Kosten. Der Farmer Barry Einsig aus Pennsylvania war enttäuscht von den doch recht zahmen Stieren. Das könnte sich ändern, meint Dickens, der schon ein Dutzend weitere Veranstaltungen landesweit geplant hat. „Es könnte sein, dass wir dann einige aggressivere Stier haben. Ich glaube, es gibt Raum für ein bisschen mehr Gefahr“, sagte er. Es gab aber am Samstag auch Proteste von Tierschützern gegen das Spektakel. „Für die Stiere ist dein Rennen nicht witzig“, hieß es auf Transparenten.
Weniger ethische Probleme gab es bei einer Parallelveranstaltung: „Tomato Royale“, inspiriert von der „Tomatina“ in der spanischen Region Valencia, bei der sich die Teilnehmer mit Tomaten beschmeißen. 5000 Menschen verbrauchten dabei in Petersburg ihr Restadrenalin, 20 000 Kilo Tomaten lagen bereit. „Es war schrecklich, und es war lustig. Ich rannte mit den Stieren, und das war auch großartig, aber dies hier war noch härter als das Bullenrennen“, sagte Rebecca Galle aus New York nach überstandener Tomatenschlacht.