„Escape Rooms“: Wenn der Ausbruch zum Gruppenerlebnis wird

Essen (dpa) - „Taschenlampen an und los“: Die rote Countdown-Anzeige neben der Tür startet und die vier Studenten betreten den finsteren Raum. Von nun an bleiben exakt 60 Minuten, um den Schatz des Pharaos zu finden und so die ägyptische Grabkammer wieder verlassen zu können.

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Zögerlich untersuchen die Spieler jeden Winkel und jede Ecke der „Grabkammer des Pharaos“ - zunächst jeder für sich. Aus tiefen Augenhöhlen blicken antike Büsten auf die Spieler hinab. Ägyptische Wandmalereien schmücken die Wände und aus dem Hintergrund erzeugt dramatische Musik eine spannungsgeladene Atmosphäre in dem verwinkelten Raum - eingerichtet hinter einer Garagentür in einem Essener Hinterhof.

Es ist einer von bundesweit rund 450 „Escape Rooms“, deren ganz verschiedenartige Spielverläufe stets eine Gemeinsamkeit haben: Ein Team von zwei bis etwa sechs Spielern muss in genau einer Stunde dutzende Rätsel lösen und Schlösser knacken, um die jeweilige Mission zu erfüllen und aus dem verschlossenen Raum ausbrechen zu können.

Schlüssel ist neben Geschicklichkeit, Koordination und Kombinationsgabe vor allem der Teamgeist der Gruppe. Ob Zeitmaschine, Versuchslabor oder der Tatort eines Mordfalls - die Bandbreite entwickelter Spielszenarien der rund 200 Anbieter bundesweit wächst stetig. „Wir wollten Themen umsetzen, die es noch nirgendwo sonst gibt“, sagt Maximilian Klar, Mitgründer des Essener Anbieters „Ruhr Escape“ - einem von 40 in Nordrhein-Westfalen. Gemeinsam mit zwei Freunden betreibt er fünf „Escape Rooms“ mit unterschiedlichen Szenarien - ein sechster wird derzeit fertig gestellt.

Von seinem Büro aus kann Klar den Spielverlauf in den „Escape Rooms“ verfolgen. Kommt ein Team nicht weiter, gibt er den Spielern über eine Bildschirm-Anzeige Tipps. „Anfänger und sehr heterogene Gruppen schaffen es nicht ohne Hinweise - doch unendlich viele geben wir nicht“, sagt der 23-Jährige mit Blick auf einen Bildschirm, der die ägyptische Grabkammer zeigt. Die vier Studenten im Pharaonengrab knacken derweil erste Schlösser - zunächst noch entspannt. Die Digitaluhr zeigt an: 45 Minuten verbleiben. Doch schon bald machen sich erste Zeichen von Nervosität unter den Spielern bemerkbar, gereizte Worte fallen. Das Team nimmt die Mission sehr ernst.

Dass die Teilnehmer innerhalb kürzester Zeit in den Bann des Spiels gezogen werden, beobachtet Eduard Maibach seit den Anfängen der „Live Escape Games“ in Deutschland. Auf dem Portal EscapeRoomGames.de sammelt der 31-Jährige alle deutschen Anbieter und testet regelmäßig „Escape Rooms“ inner- und außerhalb von Europa. „Häufig betreten Teilnehmer den Raum und sind von dem Spiel noch nicht ganz überzeugt“, sagt Maibach. Doch schon bald gerieten die Spieler in den Rausch der jeweiligen Geschichte.

„Der Alltag und die Welt außerhalb des „Escape Rooms“ wird komplett ausgeblendet“, sagt Maibach. Voraussetzung dafür sei ein gut konzipiertes Spiel. „Viele Anbieter entwickeln und bauen ihre Räume in Eigenarbeit, was bis zu einem halben Jahr dauern kann.“ Seit der Eröffnung des ersten „Escape Rooms“ in Deutschland im Sommer 2013 habe sich die Anbieter-Szene in rasantem Tempo professionalisiert.

Zunehmend mehr Umsatz machen die Spielentwickler mittlerweile außerhalb des Freizeit-Geschäfts. „30 Prozent unserer Buchungen stammen derzeit von Unternehmen“, sagt Viktor Huhn von „Locked Bochum“. Gerade an Werktagen würden viele Betriebsausflüge und Teamschulungen bei dem Bochumer Anbieter veranstaltet.

Auch Sylvia Piecha hat für ihre Vertriebs-Abteilung eines Personalmarketing-Unternehmens einen Besuch bei „Locked Bochum“ organisiert. Sie erhofft sich neben Spaß und einer abwechslungsreichen Erfahrung auch positive Effekte für den Gruppenzusammenhalt unter den Mitarbeitern. „Wir machen dieses „Escape Room Game“ als Teambuilding-Maßnahme“, sagt Piecha.

Noch 25 Minuten: In der Essener „Grabkammer des Pharaos“ gelingt es den Studenten Thomas und Fabian auch nach erneutem Hinweis nicht, kleine Gewichte in der richtigen Reihenfolge auf eine antike Waage zu stapeln. Der Druck in der Gruppe steigt. In Zweierteams machen sich die Spieler daran, Schlösser zu öffnen. Olga blickt auf die Uhr: „Oh nein, wir haben nur noch neun Minuten“, sagt sie.

Mit Hilfe der Hinweise des Spielanbieters öffnen die vier Teammitglieder nach und nach die verbleibenden Schlösser - zügig, konzentriert und in enger Zusammenarbeit. Schließlich bleibt nur noch eine Minute, um einen Lichtpunkt zu finden. Da. Das letzte Schloss öffnet sich. Eine Tür springt auf und der Pharaonenschatz liegt vor den Spielern. Die Digitaluhr sagt: noch fünf Sekunden. Puh. Geschafft.