Exposeeum statt Eiffelturm

Das Erbe der Expo 2000: verfallene Pavillons, Luxus-Autohäuser und irgendwo dazwischen Uni-Gebäude. Ein Besuch in Hannover.

Hannover. Ingrid Wähler schwelgt in Erinnerungen ans Jahr 2000 — bei ihr ist immer noch Expo. In ihrem Reich kommen Nostalgiker auf ihre Kosten, jeden Sonntag. Im sogenannten Exposeeum nämlich hält ein ehrenamtlicher Verein auf rund 500 Quadratmetern Deutschlands Weltausstellung vor 13 Jahren lebendig. In einer Ecke grinst „Twipsy“, das Maskottchen, an der Wand hängt ein Ölgemälde der damaligen Expo-Kommissarin Birgit Breuel. „Gerade kamen noch jede Menge Filme und Videos dazu“, sagt die Rentnerin.

Denn bis zum Jahreswechsel lagerten in einem Keller in Hannovers Südstadt 35 000 Akten, Videos, Verträge, Urkunden und Notizen. Wochenlang wurden sie von Mitarbeitern des Staatsarchivs gesichtet. Danach wanderten 68 Tonnen Papier in den Reißwolf. 2500 Aktenordner dagegen behält das Staatsarchiv für künftige Forscher. Filme und Videos gingen ans Exposeeum.

Als weltoffener und friedfertiger Gastgeber hatte sich das wiedervereinigte Deutschland 2000 von Juni bis Oktober in Hannover präsentieren wollen. Das architektonische Erbe des Mega-Ereignisses steht am Rande des Messegeländes der niedersächsischen Landeshauptstadt.

„Es war ein einziger Traum“, erinnert sich Dagmar Morcinek. Die damalige Mitarbeiterin im niedersächsischen Finanzministerium war im Planungsstab der Staatskanzlei von Anfang an dabei. Sie zeigt auf das „World Trade Center“, in dem auch das Exposeeum untergebracht ist. In dem Bürogebäude neben dem Deutschland-Pavillon residierten die Expo-Generalkommissarin Breuel und ihr Management. „Als wir anfingen, war das alles grüne Wiese hier“, erzählt Morcinek. Die macht sich dort heute auch wieder breit.

Gegenüber des einstigen Bürogebäudes steht der Holland-Pavillon. Während der Expo war er mit seinen Windrädern auf dem Dach und den blühenden Tulpen ein Hingucker. Heute ist er ein Symbol des Niedergangs: blätternder Putz, bröckelnder Beton, zerschlissene Planen. Am Eingang fixiert ein junger Mann einen Zaun. „Wir machen hier alles dicht, weil es zu gefährlich ist“, sagt er. Da fällt sein Blick auf einen nagelneuen Ferrari, der mit röhrendem Auspuff die Bauruine passiert. Der Flitzer kommt vom Autohaus um die Ecke, da, wo einst der Schweiz-Pavillon stand. Teure Wagen der oberen Luxusklasse warten dort auf betuchte Käufer.

Innerhalb von zwei Jahren nach der Expo sollten die Länder-Pavillons neu genutzt oder abgerissen werden. Viele stehen heute noch und wurden vermietet oder verkauft — wie der für Konzerte und Veranstaltungen genutzte deutsche Pavillon. Andere gammeln vor sich hin. Das marode Gebäude der Türkei etwa. Welfenprinz Ernst August von Hannover gab hier einst einem drängenden Bedürfnis nach — und machte damit weltweit Schlagzeilen. Heute ist darüber nicht nur sprichwörtlich Gras gewachsen. Sepp Heckmann, der sich als geistigen Vater des Expo-Abenteuers in Hannover sieht, spricht dennoch von Erfolg. „Über 90 Prozent aller Gebäude sind nachgenutzt“, sagt der pensionierte Manager.

Auf der Plaza, wo sich zwischen dem Messegelände und den Pavillons einst Menschen unterschiedlichster Kulturen tummelten, sitzt inzwischen die Hochschule Hannover mit ihrer Fakultät Medien und Design. Wenn es dort nicht gerade eine Großveranstaltung gibt, wirkt der Platz trostlos. An den Semesterferien liegt das offenbar nicht. „Eigentlich ist es hier immer so leer, das wirkt ein bisschen wie ein Industriegelände“, sagt die Architektur-Studentin Esmah Ghaffar. Campus-Feeling ist anders. „Ab einer bestimmten Uhrzeit gibt es hier auch nichts mehr zu essen, da ist hier nichts mehr los“, sagt die Studentin Mai Pham.

Ist das alte Konzept der Weltausstellung im Zeitalter des Internets überhaupt noch tragbar? Ingrid Wähler verteidigt die Idee Expo: „Heute werden keine Maschinen mehr präsentiert und keine neuen Errungenschaften.“ Stattdessen gehe es um ein friedlich-fröhliches Zusammentreffen von Menschen aus aller Welt. Von vergammelnden Pavillons lässt sie sich nicht beirren. „Das hängt damit zusammen, dass die Leute, die sie gekauft haben, nun in finanziellen Schwierigkeiten sind.“

Finanziert wird das Exposeeum über Eintrittsgelder — mehr schlecht als recht. Der Verein sucht Sponsoren. „Weil sich sonst niemand darum kümmert“, sagt Wähler.