Fahrprüfung nach zehn Jahren: Vieles hat sich verändert

Immer mehr Fahrschüler fallen durch die Prüfung, sagt ein Bericht des Automobilclub Europa. Die Anforderungen sind gestiegen, sagt der Fahrlehrerverband Nordrhein. WZ-Newsline macht den Selbsttest und schickt einen Reporter zur "Fahrprüfung" - nach zehn Jahren unfallfreier Fahrt.

Wuppertal. Einundzwanzig, zweiundzwanzig — zwei Sekunden machen manchmal den Unterschied. „Durchgefallen“, lautet Kurt Bartels’ nüchternes Urteil von der Rückbank. Wäre es meine echte Fahrprüfung gewesen, nach dieser nur angedeuteten Pause an einem Stoppschild in Wuppertal-Wichlinghausen wäre sie vorbei gewesen.

Zum Glück habe ich den Führerschein schon, seit mehr als zehn Jahren fahre ich unfallfrei Auto. Knapp 20 Fahrstunden reichten mir 2002 zum „Lappen“, der auch damals schon eine Plastikkarte war. Denke ich an die Fahrschule, erinnere ich mich an Theoriestunden am Abend, Geld zusammenkratzen für die Fahrstunden und — legendär — an das linke Knie des Fahrlehrers, das immer den fünften Gang versperrte.

Doch seit dem Verkehrsgerichtstag 2013 in Goslar ist die Fahrschulwelt in Aufruhr. Der Automobilclub Europa (ACE) veröffentlichte einen Bericht, nach dem die Fahrausbildung in Deutschland schlecht sei, immer mehr Prüflinge durchfallen und Fahrlehrer ihre Schüler öfter mal unvorbereitet in die Prüfung schicken, um erneut die Prüfungsgebühren kassieren zu können. Eine Aussage, der die Fahrlehrer Kurt Bartels und Ralf Birnbaum vom Fahrlehrerverband Nordrhein vehement widersprechen. „Es gibt auch bei uns schwarze Schafe“, sagen sie . Der ACE urteile aber pauschal und verdamme einen ganzen Berufsstand.

Im silbernen Fahrschulwagen sind wir auf Tour durch den Wuppertaler Osten. „Seit Sie den Führerschein gemacht haben, hat sich viel geändert“, sagt Ralf Birnbaum, während wir durch eine 30-Zone fahren. Wer heute ans Steuer will, muss sich auf 930 mögliche Fragen vorbereiten — inklusive Fragen über Drogenmissbrauch. Die Theorieprüfung findet am Computer statt — Lösungsschablonen auf den Arm malen, geht nicht mehr. Kein Wunder also, dass die Theorieprüfung so ganz ohne Vorbereitung nicht fehlerfrei verläuft.

Auch auf der Straße hat sich viel getan. „Die Verkehrslast ist höher, es gibt mehr Kreisverkehre und wesentlich weniger Verkehrsdisziplin“, sagt Kurt Bartels. Doch mit einem Teil der Schüler gehen die Fahrlehrer hart ins Gericht: „Die meisten haben null Ahnung von Autos, wenn sie zu uns kommen“, sagen sie. Smartphones und Computer seien kein Problem, Interesse für die Funktionsweise eines Autos aber kaum vorhanden. Richtig lernen falle auch immer schwerer. „25 Prozent der Schüler haben massive Lernverständnisprobleme“, haben sie festgestellt. Sich auf 30 Theoriefragen oder 45 Minuten Fahrtraining zu konzentrieren, stelle manchen Jugendliche vor ein unlösbares Problem.

„Die Leute sind generell weniger selbstständig“, sagt Ralf Birnbaum, während Kurt Bartels meinen Fahrstil kritisiert: „Der Schalthebel läuft nicht weg, den müssen Sie nicht festhalten.“ Na gut. Dann eben die rechte Hand wieder ans Lenkrad. Weniger selbstständig? „Die muss man viel mehr an die Hand nehmen als früher“, sagt Ralf Birnbaum. Inzwischen sei der Fahrschulunterricht viel stärker verschult, sagt er und zeigt einen Kontrollbogen, der einem Lehrplan gleicht. „Autofahren ist ein Handwerk“, macht sich Kurt Bartels vom Rücksitz aus bemerkbar. Die Zeit in der Fahrschule sieht er wie ein zusätzliches Schulfach. „Das geht nicht so nebenher.“

„Fallen deswegen mehr Fahrschüler durch die Prüfung?“, frage ich, etwas unsicher, ob die Ampel vielleicht schon eine Spur zu gelb war. „Nein“, sagt Bartels. Im Gegenteil. „Die Durchfallquote ist seit den 70er Jahren konstant bei etwas über 20 Prozent.“ Durch eine bessere Ausbildung hätten die Fahrlehrer es geschafft, trotz massiv gestiegener Anforderungen, die Durchfallquote konstant zu halten. „Wir lassen keinen zur Prüfung, der das nicht schaffen kann“, sagt Ralf Birnbaum mit Blick auf die Kritik des ACE. „Das kostet Geld, aber die Leute brauchen das.“

Womit wir bei den Kosten wären. Während mein Führerschein 2002 noch rund 900 Euro kostete, braucht heute ein durchschnittlicher Fahrschüler rund 36 Fahrstunden und zahlt zwischen 1500 und 2200 Euro. Und deshalb bin ich froh, als die „Prüfung“ vorbei ist — bestanden hätte ich heute wohl nicht. „Fahren Sie bewusster“, rät mir Ralf Birnbaum beim Abschied.