Festnahme nach rätselhaftem Mord an Familie in den Alpen
London/Paris (dpa) - Fast zehn Monate nach einem Vierfachmord in den französischen Alpen hat die Polizei in England einen 54-jährigen Mann festgenommen - möglicherweise der Bruder eines der Todesopfer.
Zur Identität des Festgenommenen schwiegen die britischen Behörden. Nach Angaben der französischen Staatsanwaltschaft handelt es sich um den Bruder des getöteten Ehemannes. Der Mann wurde demnach wegen des Verdachts auf Verschwörung zum Mord festgenommen und befragt.
Anfang September 2012 waren auf einem abgeschiedenen Parkplatz bei Annecy in Frankreich drei Mitglieder einer irakischstämmigen britischen Familie aus Claygate gefunden worden. In der Nähe lag ein ermordeter Radfahrer. Die blutüberströmten Leichen des Ehepaares und der Mutter der Ehefrau wurden in ihrem Auto entdeckt.
Die damals sieben und vier Jahre alten Töchter des Ehepaares überlebten den Überfall. Eines der Mädchen wurde verletzt in der Nähe des Wagens gefunden, das andere entdeckten die Ermittler erst acht Stunden später unter der Leiche ihrer Mutter. Die Fahnder hatten es vermieden, die Leichen zu bewegen. Die beiden traumatisierten Mädchen leben laut Medienberichten jetzt bei Pflegeeltern und konnten bislang nicht zum Tathergang befragt werden.
Die französische Staatsanwaltschaft in Annecy bestätigte, dass es sich bei dem Festgenommenen um den Bruder des ermordeten Ehemannes handelt. Man sei der Ansicht, dass es Belastungsmaterial vorliege, um ihn in Gewahrsam zu nehmen. Er solle zum Verhältnis zu seinem Bruder, zum Familienerbe und seinem Terminkalender befragt werden.
Der 54-Jährige hatte eine Vorladung für den 21. Juni, der er nicht gefolgt war. Vor allem deshalb sei es zu der Festnahme am Montag gekommen. Die Ermittlungen konzentrieren sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft auf einen familiären Hintergrund der Tat. Grundsätzlich neue Anhaltspunkte seien in der jüngsten Zeit aber nicht aufgetaucht, räumten die Ermittler ein.
Schon kurz nach dem Verbrechen war über einen Erbschaftsstreit unter Brüdern spekuliert worden. Dabei soll es um mehrere Immobilien unter anderem im Irak und in Spanien gegangen sein.
Britische Beamte arbeiteten eng mit französischen Ermittlern zusammen, hieß es von der Polizei in Surrey am Montag. Die Festnahme gehe auf diese Zusammenarbeit zurück und sei länger geplant gewesen. In der Nähe des Tatorts war laut Polizei ein Wagen mit britischem Kennzeichen aufgefallen.
Seit Monaten arbeiten insgesamt rund 100 Polizisten in Frankreich und Großbritannien an der Aufklärung des spektakulären Falls. Sie haben sich in ihren Ermittlungen bislang auf drei Bereiche konzentriert: Die Arbeit des ermordeten Vaters, seine Familie und seine Beziehungen in seine Heimat Irak.
Motiv und Umstände der Tat geben der Polizei seit dem Auffinden der Leichen auf einem Parkplatz in den Alpen Rätsel auf. Verschiedene Spuren wurden geprüft, darunter ein möglicher Familienstreit um viel Geld. Nach britischen Medienberichten stritten sich die beiden Brüder um ein Haus im Irak und um das Vermögen der Familie. Der Iraker mit britischem Pass war demnach kurz vor der Reise nach Frankreich in seiner alten Heimat gewesen, um Immobilien zurückzufordern, die unter dem Regime Saddam Husseins enteignet worden waren.