Interview Florian Schroeder über Merkel-Pointen und AfD-Witze

Der Kabarettist Florian Schroeder im Interview über seinen Rückblick auf 2017 und die politischen Witzfiguren des Jahres

Im Februar 2018 startet Florian Schroeder wieder mit seinem Solo-Programm „Ausnahmezustand“.

Foto: Eidel

Florian Schroeder gehört zu den bekanntesten Kabarettisten des Landes. Derzeit ist er auf Tour mit der „Zugabe 2017“, im Februar startet er dann wieder mit seinem Solo-Programm „Ausnahmezustand“. 2017 sei ein hervorragendes Jahr für seine Zunft gewesen, so der 38-Jährige zu unserer Redaktion. Ein Gespräch mit Schroeder über Merkel-Pointen, Christian Lindner, AfD-Witze und den Menschen des Jahres.

Herr Schroeder, war 2017 ein gutes Jahr für das politische Kabarett?
Florian Schroeder: Hervorragend war es.

Weshalb?
Schroeder: Vor allem das letzte Drittel war wunderbar, weil wir nicht in der Lage gewesen sind, eine Regierung zu bilden. Ich persönlich brauche auch keine Regierung. Die meisten Mitbürgerinnen und Mitbürger, wenn ich das mal so bundespräsidial sagen darf, auch nicht. Das Wirtschaftswachstum war im letzten Quartal so hoch wie lange nicht, wir können ein drittes Geschlecht eintragen lassen — und Italien fährt nicht zur Fußball-WM. Mehr hätten auch Brandt, Schmidt und Kohl zusammen nicht hingekriegt.

Was ist denn ihre Lieblingspointe des Jahres 2017?
Schroeder: Von mir selbst oder von jemand anderem?

Suchen Sie sich was aus.
Schroeder: Meine Lieblingspointe war die von Christian Lindner bei seinem Abgang aus den Jamaika-Sondierungen: „Lieber nicht regieren, als falsch regieren.“ Wenn Lindner was kann, dann ist es, im richtigen Moment hinschmeißen. Sein erstes Start Up hat er verlassen, als absehbar war, dass es vor die Wand fahren würde; vor ein paar Jahren hat er als Generalsekretär hingeschmissen, als er gemerkt hat, dass die FDP vor die Wand fahren würde. Und jetzt, als es darum ging, Kompromisse einzugehen und wirklich Verantwortung zu übernehmen, hat er wieder hingeworfen. Für mich ist Christian Lindner der Oskar Lafontaine der FDP.

Also hat Lindner ihnen 2017 auch am meisten Spaß bereitet?
Schroeder:
Ach, da gibt es eine ganze Menge Leute. Wie zum Beispiel Cem Özdemir bei den Sondierungen aufgetreten ist, so staatstragend, da hat man gemerkt, er läuft sich schon mal warm für das Amt des Außenministers.

Daraus ist aber nichts geworden.
Schroeder:
Aber ich hoffe ja immer noch, dass es eine schwarz-grüne Minderheitsregierung gibt. Dann kann Özdemir den Außenminister machen und den türkischen Präsidenten Erdogan treffen. Und dann wird es richtig lustig.

Geht eigentlich bei ihren Auftritten ein guter Merkel-Witz immer, oder lachen die Leute inzwischen lieber über Martin Schulz?
Schroeder:
Sowohl als auch. Eine gute Merkel-Pointe ist nach wie vor beliebt. Ihr Satz des Jahres war ja bei den Reformationsfeiern zu Wittenberg: „Luther hat einen Stein ins Rollen gebracht“ — sagte sie über den Mann, der schon zu seiner Zeit Synagogen abfackeln wollte. Wenn wir heute sehen, dass wieder israelische Flaggen brennen, kriegt der Satz eine ganz neue Bedeutung. Großes Kino war ihre — um es protestantisch zu sagen — Umkehr bei der Ehe für alle. Immer abgelehnt und dann plötzlich im Interview mit dem Debattenmagazin Brigitte mit einem Gefasel über irgendwas mit Pflegeeltern mit acht Kindern mehr oder weniger aus Versehen in die Ehe für alle reingestolpert. Aus rein taktischen Gründen, um das Thema aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Dann aber stimmt sie im Bundestag dagegen. Das ist schon eine Meisterleistung in Wendehalshaftigkeit.

Hat Martin Schulz eine ähnliche Meisterleistung vollbracht?
Schroeder: Karl Kraus paraphrasierend könnte man sagen: „Es reicht nicht, einen Karren in den Dreck zu ziehen, man muss auch unfähig sein, ihn da wieder rauszuholen.“ Bei den Jusos hat er neulich gesagt, er strebe einfach gar nichts an. Das ist letztlich der Satz, der die Lage der SPD seit Jahren auf den Punkt bringt. Man könnte den Laden auch mal fünf Jahre schließen und dann wiederkommen mit Duracell-Häschen wie Christian Lindner. Aber wer soll das sein in der SPD?

Thorsten Schäfer-Gümbel, Olaf Scholz…
Schroeder:
Dann kann man auch so weiter machen wie bisher. Und das Charisma von Olaf Scholz reicht nicht über die Elbe hinaus.

Was fällt ihnen denn zur AfD ein?
Schroeder:
Der Einzug in den Bundestag hat mich nicht geschockt. Wir haben immer einen Anteil ausländerfeindlich denkender Menschen von 20 Prozent gehabt. Außerdem saßen immer Nazis im Bundestag. Sie waren nur besser getarnt. Eigentlich ist die AfD wie Facebook. Facebook sorgt nicht für mehr Hater, sondern die Hater, die es gibt, haben endlich einen Lautsprecher. Die AfD sorgt nicht für mehr Rassisten, sondern die, die da sind, haben jetzt eine Stimme, der sie scheinbar bedenkenloser folgen können als noch den Vollidioten von der NPD.

Sind für Sie AfD-Witze heikler als andere Gags?
Schroeder:
Ein Witz über die AfD sorgt definitiv immer dafür, dass sich die Betroffenen aufregen. Das ist ein sehr berechenbarer Reflex. Das ist kein Grund, deshalb extra einen zu machen. Aber auch kein Grund, ihn wegzulassen.

Haben Sie gerade einen auf Lager?
Schroeder:
(lacht) Das ist ein bisschen die Witze-Jukebox hier, oder?

Ja.
Schroeder:
Wenn ich sage in meinem Programm, 13 Prozent aller Deutschen haben ihr Hakenkreuz bei der AfD gemacht, wird ho, ho, ho verschämt darüber gelacht. Obwohl der harmlos ist. Aber wir haben das Glück, dass die AfD die dümmste rechtspopulistische Partei Europas ist. Mit der Truppe verlieren wir auch noch den dritten Weltkrieg. Bei ihrem Umgang mit Lucke und Petry konnte man immerhin sehen, dass die AfD die Abschiebequote, die sie für Flüchtlinge fordert, auch intern konsequent anwendet.

Wer wird 2018 den Spaßvogel abschießen? Der neue bayerische Ministerpräsident Markus Söder vielleicht?
Schroeder:
Ich war schockiert, als ich Söder zum ersten Mal ohne Karnevalskostüm gesehen habe. Da war er quasi nackt. Ich glaube aber, wir müssen gucken, wie spaßig Donald Trump mit Kim Jong Un in 2018 umgehen wird. Übrigens ist der Twitter-Mitarbeiter, der Trumps Account abgestellt hat, ganz klar der Mensch des Jahres 2017. Er ist für mich der Stauffenberg des Digitalzeitalters.