Flutung in Köln aufgeschoben – ein Spiel auf Zeit
Am Kölner Heumarkt will man die Betondecke in der unterirdischen Haltstelle jetzt früher einziehen als geplant und so mehr Stabilität erreichen.
Köln. "Wir sind leidenschaftliche Schwimmer und freuen uns über ein neues Schwimmbad in der Innenstadt", sagt Aron, der mit seinem Mitschüler Toby (beide 17) in kompletter Badeausrüstung inklusive Schwimmdelfin und Shorts zum Kölner Heumarkt gekommen ist. Dort war für Samstagmittag die Flutung der U-Bahn-Baustelle angekündigt worden.
Die auf den ersten Blick spaßige Aktion hat einen ernsten Hintergrund, wollen die beiden Gymnasiasten doch gegen das Desaster bei der Nord-Süd-Bahn protestieren. "Es kann doch nicht sein, dass hochbezahlte Ingenieure eine U-Bahn bauen und dabei die halbe Stadt versenken. Da steht das Risiko in keinem Verhältnis zum Nutzen", ärgert sich Aron.
So wie er denken viele Schaulustige an diesem an sich schönen Samstagvormittag, der nur durch die vielen Feuerwehrwagen auf dem Platz aus seiner Normalität herausgerissen wird. Unentwegt schleppen die 50 Wehrleute Schläuche und Verbindungsstücke durch die Gegend und verbinden diese auf dem extra in wenigen Stunden hochgezogenen Gerüst, das quer über den Heumarkt läuft. "Wir verlegen hier insgesamt acht Kilometer Schläuche, um im Notfall schnell Wasser vom Rhein in die Baustelle leiten zu können", sagt Einsatzleiter Frank Stobbe.
Die 520 Meter lange Verbindung, die sich aus 15 Schlauchleitungen zusammensetzt, ist Teil eines neuen Konzeptes, um die gefährdete U-Bahn-Baustelle vor zu hohem Grundwasser-Druck absichern zu können. "Wenn wir Wasser vom Rhein hoch pumpen, können wir die Zeit für die Flutung der Grube von bislang 36 auf 15 Stunden senken. Das schafft uns weiter Luft, um mit dem Einziehen einer Betondecke in die Haltstelle für mehr Stabilität zu sorgen", sagt der Kölner Stadtdirektor Guido Kahlen. Bislang wollte man nur die Pumpen in der Grube abstellen, die verhindern, dass das Grundwasser einfließen kann. Kahlen betonte, dass das neue Konzept die Sciherheit nicht gefährde: "Wir können jederzeit auf jede Entwicklung reagieren."
Zur Hilfe kommt den Kölnern bei ihrer Strategie auch das trockene Wetter, das den Rheinpegel langsamer ansteigen lässt, als erwartet. Er wurde Samstagmittag um 12 Uhr mit 6,10 Meter gemessen. "Derzeit steigt der Pegel etwa um einen Zentimeter in der Stunde, das ist deutlich langsamer als noch am Freitag", sagt Reinhard Vogt von der Kölner Hochwasserschutzzentrale.
Entscheidend sei allerdings nicht der Rhein, sondern der Grundwasserpegel direkt an der Baustelle, der halbstündlich gemessen wird. Wenn er die kritische Marke von 39,50 Meter übersteigt, muss die Grube geflutet sein. Hier liegt der Anstieg im Moment bei knapp einem Zentimeter pro Stunde und lag am Samstagmittag bei 38,59 Metern, weshalb die geplante Flutung erst einmal aufgeschoben werden konnte. "Der Anstieg erfolgt immer etwas zeitversetzt zum Rheinpegel, ist aber schwer voraussagbar", erklärt Vogt.
Mit dem Bau der Zwischendecke aus Beton will man, früher als bislang geplant, am Montag um 10 Uhr beginnen und hofft, am Dienstagabend damit fertig zu sein. Ausgehärtet ist die Decke, für die etwa 600 Betonmischer das Material heranfahren müssen, voraussichtlich am Mittwochabend. Dann müsste erst ab einem Grundwasserpegel von 41,50 Meter geflutet werden.
Beim Hochwasser-Experten Vogt gibt es trotzdem Grund zur Sorge: "An der Mosel soll am Sonntag bis zu 30 Liter Regen auf den Quadratmeter fallen. Dann würde es etwa 30 Stunden dauern, bis die Moselwelle über den Rhein Köln erreicht. Dazu kommen noch weitere Wassermengen vom Oberrhein und vom Main." Bis dahin hofft man in Köln allerdings mit der Betondecke fertig zu sein.