Forschung: Raffaela Busses eiskalte Mission am Südpol

Für ein Forschungsvorhaben reist die Physikerin Raffaela Busse von der Uni Münster für zwei Monate in die Arktis.

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Düsseldorf. Für Raffaela Busse dürfte es das Abenteuer ihres Lebens werden: Weltweit 50 Menschen hatten sich für zwei Jobs auf der US-amerikanischen Amundsen-Scott-Forschungsstation am Südpol beworben - die in Hattingen aufgewachsene Astroteilchen-Physikern konnte sich durchsetzen. Ende Oktober tritt die 27-Jährige ihre eiskalte Mission an, womit für sie ein Traum in Erfüllung geht. Aktuell bereitet sie sich in Madison im US-Bundesstaat Wisconsin auf die Herausforderung vor. Mit unserer Zeitung sprach sie über das Projekt, ihren voraussichtlichen Alltag am Südpol und was das für ihren Biorhythmus bedeutet.

Frau Busse, Sie forschen mit Sensoren nach Lichtteilchen tief unten im Eis. Können Sie das Projekt etwas genauer beschreiben?

Raffaela Busse: Das IceCube Neutrino Observatory sucht nach hochenergetischen, kosmischen Neutrinos. Neutrinos sind sehr kleine, neutrale Teilchen, von denen es unheimlich viele gibt — sie interagieren nur nicht sehr gerne mit Materie. Um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, eine solche Interaktion zu beobachten, braucht man also einen sehr großen Detektor. Der IceCube ist ein ein Kubikkilometer großer Eiswürfel tief unter der Oberfläche, in den lange Ketten mit optischen Sensoren versenkt wurden. Wenn nun ein Neutrino mit dem Eis wechselwirkt, gibt es einen Lichtblitz — den können wir damit sehen. Die Daten dieser optischen Sensoren werden an die Oberfläche gesendet und dort gespeichert.

Worin besteht Ihr Job bei dem Projekt?

Busse: Meine spezielle Aufgabe wird sein, dafür zu sorgen, dass die Computer rund um die Uhr laufen, von denen der IceCube gesteuert wird. Ohne diese Computer wäre er ein ganz gewöhnlicher Einwürfel.

Was ist Ihr genaues Erkenntnisinteresse und welchen Nutzen kann man möglicherweise aus den Erkenntnissen ziehen?

Busse: Neutrinoforschung ist Grundlagenforschung. Wir wollen herausfinden, wie unser Universum funktioniert — und Neutrinos könnten uns helfen, seine Geschichte zu verstehen. Mal abgesehen von diesem Zuwachs an Wissen, zahlt sich Grundlagenforschung oft erst auf lange Sicht aus. Daher ist sie manchmal schwer zu begreifen. Aber ohne Grundlagenforschung wäre so etwas wie das Smartphone beispielsweise nicht möglich gewesen.

Wie bereiten Sie sich in den USA zurzeit auf das Projekt vor?

Busse: Ich lerne die komplette IT-Infrastruktur des IceCube-Experiments kennen — hier in Madison steht ein Nachbau davon, an dem ich üben kann.

Raffaela Busse, Physikerin

Wie sind Sie zu dem Projekt gekommen und ist das Ihre erste Reise an den Südpol?

Busse: Das erste Mal habe ich vor mehreren Jahren von dem Job als „Winter Over“ gehört und war sofort fasziniert. Dieses Jahr habe ich mich endlich beworben, und es hat geklappt. Es ist für mich das erste Mal, dass ich an den Südpol reise.

Wie wird Ihr Alltag dort aussehen?

Busse: Ich kann ja selbst nur spekulieren. Aber ich glaube alles ist irgendwie simpler. Man muss nicht einkaufen gehen. Keine Behörden, keine Rechnungen, keine wichtigen Termine. Sowas wie einen natürlichen Tag- und Nachtwechsel gibt es ja am Südpol nicht. Wer will, kann sich auch seine Uhrzeit selber aussuchen, da es in der Kantine rund um die Uhr etwas Essbares gibt. Die lange antarktische Nacht ist daher sicher auch eine gute Gelegenheit, um seinen eigenen Biorythmus zu finden.

Was wird für Sie die größte Herausforderung sein?

Busse: Ich befürchte, dass null Prozent Luftfeuchtigkeit wirklich gewöhnungsbedürftig sein werden.

Wie ist das Team zusammengesetzt?

Busse: Es sind Wissenschaftler wie ich dort unten, aber auch Elektriker, Köche, Handwerker und Ärzte. Die Stationsmitglieder kommen aus aller Welt.

Wie hat Ihre Familie eigentlich auf Ihre Reisepläne reagiert?

Busse: Insgesamt gut. Alle freuen sich, dass ich mich freue, und das freut mich wiederum! Die häufigste Reaktion ist: „So etwas würde ich nie machen, aber ich finde es gut, jemanden zu kennen, der es wagt.“ Natürlich werde ich meine Familie und meine Freunde vermissen, aber ein Jahr geht schnell rum. Ich habe keine große Angst vor Heimweh.