Gerührt vom Umsturz in Ägypten
Birgit Baumann ist Kunstlehrerin in Hurghada. Seit dem Umsturz spürt sie ein neues Selbstbewusstsein im Volk.
Hurghada. Rote Locken, helle Haut und grün-braune Augen — Birgit Baumann ist Ägypterin. Seit elf Jahren. Was als Urlaub mit einer Freundin anfing, führte zu einem neuen Job am Roten Meer, einem Ehemann und einem heute vierjährigen Sohn. Die frühere Schauspielerin aus Bochum unterrichtet jetzt Kunst und Ethik an der Deutschen Schule in Hurghada und leitet dort die Theater-AG.
„Ägypten war Zufall. Ich bin nämlich überhaupt kein Strandmensch“, sagt die 39-Jährige und entblößt zum Beweis ihre blassen Arme. „Aber dann wollte mich ein ägyptischer Zahnarzt heiraten und ich habe ,ja’ gesagt“, feixt sie. Zwar liebt sie Deutschland als ihre Heimat, aber Ägypten ist zu ihrer „Lebenswirklichkeit“ geworden, wie sie sagt.
Was sich seit dem 25. Januar im Land getan hat findet sie genau richtig und notwendig. Sie erlebte die Revolution und den Sturz Mubaraks zwar mit ausreichend Sicherheitsabstand aus der Ferne, steckt jetzt aber als Ägypterin mitten in der „neuen Solidarität“. Von den Entwicklungen ist sie gerührt: „Egal, ob Menschen im Anzug oder die Mittellosen, alle haben für ihre Würde gekämpft.“
„Vorher“, sagt sie, „hatten wir eine Scheinstabilität“. Seit dem Sieg der Demonstranten erlebt Birgit Baumann viel umsichtigere Ägypter, die sich gegenseitig helfen und wertschätzen. „Jetzt lohnt es sich, alles in Ordnung zu halten, weil wir als neue Menschen durch die Straßen gehen.“
Angst sei auch dabei gewesen, gesteht sie. Denn „in Zeiten des Umbruchs gibt es keine Garantie.“ Das Internet funktionierte nicht, die Banken waren geschlossen, der Strom zeitweise ausgefallen und die Polizei suspendiert. Es gab panische Anrufe von Verwandten aus Kairo, die sich mit Stöcken bewaffneten, um ihre Häuser vor Plünderern zu schützen. Ihr Mann trieb sie zu Hamsterkäufen an.
„Das war seltsam für jemanden wie mich, der aus einem Land kommt, in dem es immer alles gibt. Dieses Gefühl, nicht mehr sicher zu sein, gibt es in Deutschland nicht.“ Für zwei Wochen wurde auch die Schule geschlossen. Birgit Baumann schnappte sich ihren Sohn und machte sich, nicht zuletzt, um ihre Eltern in Deutschland zu beruhigen, auf in die alte Heimat.
Im Endeffekt sei es gut ausgegangen. „Das war ein Volk, das den Umbruch herbeigeführt hat — alle zusammen.“ Insofern sei Ägypten ein reiches Land — auch für ihren Sohn. „Ich fände es schön, wenn mein Sohn in Ägypten bleiben möchte, wenn er hier gebraucht wird“, sagt sie. „Es wäre toll, wenn er seine deutsche Weise in diese tiefe emotionelle Kultur trägt.“
Birgit Baumann möchte bleiben und helfen, die Bildung voranzutreiben. Ganz oben auf dem Lehrplan für ihre Schüler stehen Toleranz und Verständnis. Genau das ist für eine Lehrerin an einer Schule mit 180 Kindern aus 15 Nationen das A und O. Die Kunst ist für sie dafür das beste Mittel. „In der Kunst sind die Grenzen aufgehoben“, sagt sie. „Es gibt kein Besser und Schlechter.“
Genau so empfindet sie seit dem Umbruch das Miteinander der Ägypter. „Alle sind gleich.“ Ihrer Meinung nach steht dem Land eine „goldene Zukunft“ bevor. Einen Rückschlag erwartet sie nicht. Es sei, als hätten die Ägypter „den Nil der Unterdrückung überquert“. Wer am anderen Ufer steht, der könne nicht zurück.