Geschichte der Alchemie - mehr als Goldmachen
Wolfenbüttel (dpa) - Herzog Julius muss sich die Hände gerieben haben, als er das erste Mal von den magischen Fähigkeiten des Philipp Sömmering hörte. Alten Aufzeichnungen zufolge holte er den Alchemisten 1571 an seinen Hof in Wolfenbüttel.
Sömmerings Auftrag: Gold herstellen. Dafür stellte ihm der Herzog sogar ein eigenes Labor, mehrere Jahre tüftelte Sömmering an einer Rezeptur.
Goldmacher wie Sömmering haben das heutige Bild der Alchemie stark geprägt, sagt Petra Feuerstein-Herz. Doch dieses Bild greife zu kurz: „Man würde ihr ein riesiges Unrecht antun.“ Feuerstein-Herz ist Kuratorin einer Alchemie-Ausstellung in der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel und will zeigen, dass Vertreter dieses Fachs die Natur abseits der sichtbaren Dinge verstehen wollten.
Allerdings ging es dabei nicht um Formeln, sondern um handfeste Experimente, wie Feuerstein-Herz erklärt. „Das waren weitgehend experimentelle Arbeiten mit Metallen.“ Dabei kamen Entdeckungen heraus, von denen wir noch heute profitieren - Ammoniak, Porzellan oder die Destillation von Alkohol zum Beispiel.
In den Laboren der Alchemisten zischte und brodelte es. Sie versuchten, Legierungen herzustellen, Metalle zu schmelzen oder aufzulösen. Das Ziel: das Unedlere zum Edleren zu machen. „Parallel war der Wunsch, auch das inszenierte, spirituelle Erlebnis zu haben“, sagt Feuerstein-Herz. Die Alchemisten wollten nicht nur Metalle verändern, sondern auch selbst eine höhere geistige Ebene erreichen.
Die Ausstellung „Goldenes Wissen. - Substanzen, Synthesen, Symbolik“ zeigt bis zum 22. Februar unter anderem Handschriften aus dem 15. bis 17. Jahrhundert. „Wir haben einen ganz schweren Zugang“, sagt Feuerstein-Herz über ihre Forschung. Die erhaltenen Dokumente seien oft in Geheimsprache geschrieben und nur für Eingeweihte gedacht. Anders als heutige Wissenschaftler sahen die Alchemisten ihre Erkenntnisse als Geheimwissen an.
Dennoch kann man von diesen magischen Männern und Frauen Parallelen zu modernen Forschern ziehen. Der Direktor der Herzog-August-Bibliothek, Helwig Schmidt-Glintzer, verweist auf Wissenschaftler, die auf die hohe Nachfrage von Seltenen Erden reagieren wollen. Sie würden versuchen, diese Stoffe, die zum Beispiel in Computern und Smartphones sind, im Labor selbst herzustellen. „Dieser Impuls verbindet uns mit den Alchemisten“, sagt Schmidt-Glintzer. Gerade Knappheiten stifteten Antriebe, etwas Neues herzustellen.
Natürlich hat es damals auch jene Glückssucher gegeben, für die die Alchemie heute bekannt ist. „Das war eine vergleichsweise kleine Gruppe“, sagt die Kuratorin Feuerstein-Herz. Ob diese Goldmacher in betrügerischer Absicht handelten oder selbst an den Zauber glaubten, sei heute im Einzelfall kaum nachzuweisen.
Auch bei Philipp Sömmering nicht. Allerdings schränkt Feuerstein-Herz ein: „Das ging schon sehr in Richtung unlauterer Absichten.“ In jedem Fall bezahlte Sömmering seinen Zauber am Ende teuer. Nach mehreren erfolglosen Jahren wurde es Herzog Julius zu bunt, geht aus Prozessakten in der Bibliothek hervor. Sömmering kam wegen Betruges vor Gericht. Im Frühjahr 1575 sei er schwer bestraft und schließlich hingerichtet worden.