Gesellschaft für deutsche Sprache: Kinder, sind das Namen!

Kätzchen, Luzifer, Aragorn: Wenn ein Standesamt Vornamen ablehnt, können sich Eltern an die Gesellschaft für deutsche Sprache wenden.

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Düsseldorf. Die ganze Bandbreite der Namensgebung offenbart sich heutzutage im Straßenverkehr. Seit es sich eingebürgert hat, den Namen des Kindes auf der Autoheckscheibe spazieren zu fahren, ist klar: Deutschland hat mehr zu bieten als Mia, Ben und Emma. Weit mehr.

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Inzwischen gibt es sogar Internetportale, in denen besonders kreative Einfälle gesammelt werden, wie Tyler-Jürgen oder Schanaja. Da wirkt der Satz des griechischen Philosophen Pythagoras wie eine Mahnung: „Lege deinem Kind einen Namen zu, der ihn in seinen eigenen Augen ehrt.“

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Andrea-Eva Ewels von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) weiß, dass Eltern diesem Leitsatz in aller Regel folgen wollen: „Niemand gibt seinem Kind bewusst einen Namen, der lächerlich klingt. Alle Eltern haben bei der Namenswahl die besten Absichten.“Allerdings weiß die Sprachwissenschaftlerin auch, wie unterschiedlich die Auffassungen sein können. So hat sie bereits Fälle erlebt, in denen Babys die Namen Crazy Horse oder Kätzchen bekommen sollten.

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Andrea-Eva Ewels betreut die Namensberatung bei der GfdS. Wenn ein Standesbeamter einen Vornamen ablehnt, können sich Eltern an die Gesellschaft wenden, um die Tauglichkeit in einem Gutachten untersuchen zu lassen. In der Regel schließen sich die Ämter dem Urteil der Sprachexperten an. Die Kosten liegen bei 25 Euro.

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Pro Woche gehen etwa 15 Anfragen ein, das macht etwa 700 Fälle pro Jahr. „In mehr als 95 Prozent können wir den Namen bestätigen“, sagt Andrea-Eva Ewels. Zunächst werden Bedeutung und Herkunft geklärt. Dafür stehen 3000 Vornamensbücher aus verschiedenen Ländern zur Verfügung. Häufig hätten die Namen einen ausländischen Ursprung, etwa weil die Eltern ihn im Urlaub gehört haben oder selbst aus einem anderen Kulturkreis kommen.

So erinnert sie sich an ein Paar, das seine Tochter Aranka nennen wollte. Wie sich herausstellte, leitet sich der Name vom ungarischen Wort für Gold ab. Er wurde zugelassen — auch weil er ein wichtiges Kriterium erfüllt: Er ist durch seinen Klang eindeutig als weiblicher Name zu erkennen.

Auch eigene Erfindungen kommen häufig vor. Namen wie Franzine und Floriane etwa sind weibliche Versionen von Männernamen, die es offiziell nicht gibt, aber die dennoch zulässig sind. Nicht erlaubt wurde dagegen der Name Calotta für ein kleines Mädchen. Der Grund: Zum einen sei die Verwechslungsgefahr mit Carlotta zu hoch. Zum anderen bedeutet „calotte“ im Französischen „leichte Ohrfeige“, was dazu führen könne, dass das Kind später in der Schule gehänselt wird.

Das nämlich ist das entscheidende Kriterium für die Gutachter: „Der Name darf dem Kind nicht schaden.“ Ist er ausschließlich negativ besetzt, wird er zwangsläufig abgelehnt: „Wenn jemand sein Kind Luzifer oder Goliath nennen will, können wir das nicht akzeptieren“, sagt Andrea-Eva Ewels. Auch Störenfried und Gift wurden abgelehnt.

Ebenfalls nicht zulässig sind Orts- und Tiernamen. Paris, Brooklyn, Zecke und Tiger wurden ebenso abgewiesen wie Oslo Radisson. In dem Fall sollte das Kind so heißen wie das Hotel, in dem es gezeugt wurde.

Einfacher ist es bei literarischen Namen. Kleine Jungs, die Legolas oder Aragorn („Herr der Ringe“) heißen, gibt es bereits mehrfach. Der inzwischen längst etablierte Mädchenname Vanessa ist eine Erfindung des Schriftstellers Jonathan Swift — zusammengesetzt aus den Namen seiner Verlobten. Auch die Figuren der Kinderbuchautorin Astrid Lindgren (Michel, Smilla) sind beliebt.

Nicht erlaubt wurde dagegen Huckleberry — obwohl Mark Twain seine Hauptfigur in dem gleichnamigen Roman so genannt hat, steht das Wort doch in erster Linie für einen Sonderling oder Eigenbrötler.

Eltern beizubringen, dass sie ihren Sprössling nicht so nennen können, wie sie es geplant haben, erfordert viel Fingerspitzengefühl. „Wir müssen sehr diplomatisch vorgehen und möchten die Eltern nicht verletzen“, erzählt Andrea-Eva Ewels. Wenn man ihnen erkläre, dass ein Name zu Hänseleien führen könne, sei die Absage aber in der Regel schnell verkraftet.

Allzu schlecht scheinen sich Eltern nicht anzustellen. In einer GfdS-Umfrage 2012 waren zwei Drittel der Befragten sehr zufrieden mit ihrem Vornamen. Allen anderen mag der Modeschöpfer Valentino (voller Name: Valentino Clemente Ludovico Garavani) Trost spenden, der sagte: „Meine Lieblingsnamen? Ich habe keine; ich liebe die Namen nach den Menschen, die sie tragen.“