Liebe, Sex und Geld Afrikas Antwort auf „Sex and the City“
Accra (dpa) — Sie sind glamourös, schön, erfolgreich und auf der Suche nach dem Mann ihrer Träume. Wer hier an die amerikanische Erfolgsserie „Sex and the City“ denkt, liegt richtig und doch falsch.
Denn diese Szenen spielen nicht in New York, sondern in Ghanas Hauptstadt Accra, einem der wirtschaftlichen Hotspots Westafrikas.
Die Freundinnen Nana Yaa, Makena, Zainab, Ngozi und Sade sind im Ausland aufgewachsen und haben an Top-Universitäten in Europa und Amerika studiert. Als junge Frauen kehren sie zurück nach Ghana, wo sie mit der Kluft zwischen ihrer westlichen Erziehung und ihren afrikanischen Wurzeln konfrontiert werden.
In teuren Restaurants und schicken Bars schlürfen sie Cocktails, gehen zusammen shoppen oder zur Maniküre — und immer quatschen sie dabei über Liebe, Männer und Geld. Und natürlich Sex. Viel Sex.
„An African City“ ist eine schamlose Adaption der amerikanischen Erfolgsserie, wenn auch mit einem Bruchteil des Budgets gefilmt. Bei genauem Hinsehen gibt es noch einen wichtigen Unterschied zwischen Original und Kopie: Die ghanaische Version webt geschickt eine gute Portion Sozialkritik in die Handlung.
„Es geht vor allem um Spaß, aber jede Episode enthält auch etwas Entwicklungspolitisches“, erklärt Drehbuchautorin und Produzentin Nicole Amarteifio, die einst für die Weltbank arbeitete.
Die Clique klagt über regelmäßige Stromausfälle. Sade weigert sich, Zollbeamte zu bestechen. Makena wird Opfer eines Date-Rapes. Eine Kosmetikerin empfiehlt Zainab bleichende Hautcremes zur „Verschönerung“ ihrer Teints.
„Die Zuschauer finden gut, dass afrikanische Frauen auf neue, frische Weise dargestellt werden“, sagt Amarteifio und gibt zu, dass die Handlung sich auch an ihrem eigenen Leben orientiert.
Die 34-Jährige wurde in Ghana geboren, wuchs aber in London und den USA auf. Im Jahr 2012 kehrte sie zurück nach Accra. Das Drehbuch für „An African City“ schrieb sie in ihrer Freizeit, nachdem sie sich an einem verregneten Wochenende dutzende Wiederholungen von „Sex and the City“ ansah.
„Es traf mich wie ein Blitz: Solche Freundinnen habe ich auch!“ erinnert sich Amarteifio. „Ich fing an, darüber nachzudenken, wie die Serie in Accra statt New York aussehen würde.“
Dafür, dass die Serie mehr kopiert als selbst kreiert, will sich die Autorin nicht entschuldigen. „Es war mein erstes TV-Projekt“, erklärt Amarteifio. „Sex and the City“ war mein Vorbild. Ich hatte keine Ahnung, dass die ganze Welt sich das anschauen würde.“
Die erste Staffel produzierte Amarteifio mit fast 70 000 Euro aus eigener Tasche. Im März 2014 begann sie, die zehn halbstündigen Folgen auf YouTube hochzuladen, um zu sehen, ob es sich jemand anschauen würde. „Ich hatte insgesamt auf ein paar tausend Aufrufe gehofft“, erinnert sie sich. „Aber bei Folge Vier bekamen wir 4000 Aufrufe innerhalb einer Minute. Damit hätte ich nie gerechnet.“
Am Ende der ersten Staffel war „An African City“ mehr als zwei Millionen Mal auf YouTube angesehen worden. Dann zeigten Fernsehsender Interesse. Für die nächste Staffel verkaufte Amerteifio Lizenzen an den nigerianischen Sender „Ebony Life“, den französischen Sender „Canal Afrique“ sowie die kostenpflichtige Videoplattform VHX.
Mit den Einnahmen konnte Amarteifio ihr Investment zurückzahlen, die Produktion der nächsten Staffel finanzieren und obendrauf Gewinn machen. Inzwischen hat die Serie Fans in Westafrika, den USA, Lateinamerika, Frankreich und sogar Korea, Indien und Pakistan. Für die dritte Staffel, die ab Anfang 2017 gefilmt werden soll, steht Amarteifio in Verhandlung mit einem bekannten amerikanischen Fernsehsender.
Die Vorbereitungen für Staffel drei sind bereits in Accra in vollem Gang. Schauspielerin Marie Humbert, die die Anwältin mit Oxfordstudium Makena spielt, probiert in der Boutique der Modedesignerin Mina Evans Outfits an.
Die Schauspielerin Schweizer und Ghanaischer Herkunft, die in Frankreich und Australien studierte, kehrte selbst jüngst nach Accra zurück. Sie war fasziniert von der Idee, eine Gruppe unabhängiger, intelligenter, afrikanischer Frauen darzustellen, die Klischees und Sex-Tabus auf einem weitgehend konservativen Kontinent herausfordern, sagt sie.
Mit viel Gelächter und humorvollem Posieren probiert Humbert Blusen und Röcke aus traditionellen, farbenfrohen Stoffen mit modernen Schnitten an. „Mina Evans Mode ist trendig, aber dennoch afrikanisch, genau wie die Frauen in der Serie“, erklärt Stylistin Afua Rida.
So wie „Sex and the City“ Manolo-Blahnik-Pumps zum Muss moderbewusster Frauen machte, will „An African City“ ein Schlaglicht auf afrikanisches Design werfen. Die Serie hat mittlerweile Kleidung von mehr als 100 afrikanischen Designern aus Ghana, Nigeria, der Elfenbeinküste, Südafrika, London und Australien präsentiert.
„Eins meiner Ziele ist es, eine Drehscheibe für Kreative zu sein, von Mode über Musik, Kunst und Inneneinrichtung“, sagt Amerteifio, die inzwischen ihr nächstes großes TV-Projekt ins Auge gefasst hat.
„The Republic“ heißt die neue Serie, Amarteifios afrikanisierte Version des erfolgreichen, amerikanischen Fernsehdramas „Scandal“. In diesem Monat soll die Pilotfolge ausgestrahlt werden.