Andrea „Hildegard“ Sihler und die Balkenbrille
München (dpa) - Ihr Markenzeichen ist die Brille: Unter den Nonnen des Klosters Kaltenthal ist Schwester Hildegard unverkennbar. Seit gut 15 Jahren sitzt sie in der erfolgreichen ARD-Serie „Um Himmels Willen“ im Vorzimmer der Mutter Oberin, pflichtbewusst, aber auch sehr eigensinnig.
Andere Serienfiguren kamen und gingen, Schwester Hildegard dagegen blieb. Hinter der Balkenbrille verbirgt sich im normalen Leben die Schauspielerin Andrea Sihler, ohne ihr prominentes Gestell auf der Nase und ohne die Ordenstracht kaum wiederzuerkennen. „Ich bin ja wirklich inkognito“, gibt die Münchnerin selbst zu.
In der Tat muss man schon zweimal hinschauen, um in der attraktiven 58-Jährigen mit dem kurz geschnittenen Bob die Nonne wiederzufinden, die alles sehr genau nimmt und der Serie rund um Schwester Hannah und den intrigierenden Bürgermeister Wöller etwas Skurriles verleiht. Das hat durchaus Vorteile, zumindest aus Sicht einer Schauspielerin. „Caster sagen, das ist ganz toll, weil Du nicht so festgelegt bist auf eine Rolle“, erklärt Sihler.
Denn auch wenn sie Schwester Hildegard gerne spielt, sie nimmt auch gerne andere Angebote an. Ihre Anfänge liegen ohnehin am Theater. Sihler wurde 1957 im österreichischen Klagenfurt geboren, wuchs in Düsseldorf auf. Sie studierte Theater- und Filmwissenschaften in Wien und lernte Pantomime an der École de Mime de Marcel Marceau in Paris. Zusätzlich machte sie eine Ausbildung im klassischen Gesang, als Mezzosopran. Sihler spielt Gitarre, reitet und segelt gerne.
Ausleben konnte sie ihre vielen Talente auf der Bühne. Rund 20 Jahre lang war sie in der Freien Theaterszene, am Neuen Theater-München und gemeinsam mit dem Regisseur Manfred Killer in der Leitung des Theater-Labor-München. „Wir haben unsere eigene Theatergruppe gehabt und sehr viel reingegeben, sehr viel Enthusiasmus“, erinnert sich Sihler heute. „Wir haben sehr lange durchgehalten für eine freie Münchner Theatergruppe.“ Doch irgendwann war die Kunst zu brotlos, trotz der Subventionen. „Im Grunde konnten wir nur ein großes Projekt pro Jahr machen.“ Sihlers Gedanke: „Es wäre doch mal ganz schön, wenn man mit diesem Beruf auch Geld verdienen könnte.“
Daher also der Wechsel zum Fernsehen: Fernsehfilme, Serien und seit 2002 „Um Himmels Willen“. Sihler sieht ihre Rolle mit Humor. „Die Brille, die katapultiert einen wirklich ins Komödienfach“, findet sie. „Das will ich einfach viel, viel mehr noch spielen, so schräge Figuren, die einen Spleen haben, die so verplant sind.“ So wie Hildegard, mit der sie auch privat einiges gemeinsam hat, finden zumindest Sihlers Töchter, mit denen sie nebst Ehemann in der Nähe von München lebt. „Eine Parallele ist, dass sie mit irgendetwas rausplatzt, was sie in dem Augenblick nicht sagen sollte; oder so laut denkt, dass sie es gar nicht mehr aussprechen muss.“
Manches könne sie von der aufsässigen Klosterschwester auch noch lernen. „Sie ist viel organisierter, viel geordneter, ich bin viel sprunghafter“, gibt Sihler zu. Tatsächlich sei nach 15 Jahren in dieser Rolle einiges hängengeblieben: „Es könnte sein, dass ich von der Hildegard gelernt habe, klarer Position zu beziehen und zu den Dingen zu stehen und zu sagen, nee, so geht's nicht.“
So es denn Drehbuchautoren, Produktion und Regie nicht anders planen, wird Schwester Hildegard also noch einige Zeit im Kloster Kaltenthal mitmischen. Wie wäre es mit einer moderneren, gefälligeren Brille? Für Sihler ausgeschlossen, schließlich sähen viele Nonnen genau so aus. „Sie soll diese Brille haben. Dafür ist Schwester Hildegard zuständig, dass das mit dem wirklichen Leben etwas zu tun hat. Und eitel ist sie wirklich nicht.“