Serienschwergewicht „Babylon Berlin“ kommt ins Fernsehen
Berlin (dpa) - Die Erwartungen an „Babylon Berlin“ sind hoch. Endlich die ganz große Fernsehserie aus Deutschland. Eine, die international mithalten soll, der Beginn einer neuen Ära. Sie ist mit 38 Millionen Euro rekordverdächtig teuer.
„Babylon Berlin“ ist eine Bestsellerverfilmung. Die Krimis von Volker Kutscher haben viele Fans. Ihnen sind die Figuren und Geschichten aus dem 20er- und 30er-Jahre-Berlin ans Herz gewachsen.
Ist die Serie gut geworden? Um es kurz zu machen: Ja. Aber sie funktioniert nicht, wenn man beim Fernsehen bügeln will. Man muss aufpassen und das Handy ein paar Stunden beiseite legen. Dann hat „Babylon Berlin“ den Sog, den Serienliebhaber so mögen. Ob sie auch etwas für Fernsehzuschauer ist, die um 20.15 Uhr lieber „Um Himmels willen“ gucken, wird sich zeigen.
Volker Bruch („Unsere Mütter, unsere Väter“) als Kommissar Gereon Rath: Die Besetzung passt. Die Figuren der Serie haben bis in die Nebenrollen Tiefgang. Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries), die aufstrebende Sekretärin, ist eine Frauenfigur mit ähnlich hohem Sympathiefaktor wie Peggy in „Mad Men“. Ebenfalls stark: Peter Kurth als undurchsichtiger Partner von Gereon Rath oder in den Nebenrollen Fritzi Haberlandt als Pensionswirtin und Jördis Triebel als kommunistische Ärztin.
Um das Schwergewicht von Serie zu stemmen, haben sich Sky und das Erste erstmals zusammengeschlossen - ein Wagnis. Am 13. Oktober starten zwei Staffeln im Bezahlfernsehen, immer zwei Folgen im Doppelpack. Ein Jahr später läuft „Babylon Berlin“ in der ARD. Die Erwartungen sind so hoch geschürt, dass ein Flop ein Rückschlag für Deutschland als Fernseh-Land wäre. Die Gefahr ist, dass es wie bei der RTL-Serie „Deutschland 83“ läuft: Auch wenn die Kritiken gut sind, garantiert das noch nicht den Erfolg im Fernsehen.
Der Aufwand bei „Babylon Berlin“ war gewaltig. Hunderte Statisten wurden gesucht, die möglichst ausgemergelt aussehen sollten, passend zu den Jahren rund um die Weltwirtschaftskrise. Im Studio Babelsberg wurden extra Kulissen gebaut - die „Neue Berliner Straße“. Kostümbildner, die Maske, Tänzer und Musiker tobten sich aus: Die Serie sieht gut aus und hat einen tollen Sound. Den Ehrgeiz der Macher merkt man schon am Vorspann. Der hat die Coolness der Bauhaus-Schule.
Das deutsche „Tanz auf Vulkan“-Gefühl vor der Nazi-Zeit, das ist dem internationalen Publikum seit „Cabaret“ mit Liza Minnelli vertraut. Von finsteren Hinterhöfen bis zum verruchten Varieté „Moka Efti“ mit Tänzerinnen im Bananen-Rock: Sehr Berlin ist das alles. „Babylon Berlin“ ist schon an mehrere Länder verkauft.
Die Stadt zehrt noch heute von Marlene Dietrichs Zeiten - die Serie auch. Die drei Regisseure, Tom Tykwer, Henk Handloegten und Achim von Borries, haben den Berlin-Mythos geschickt umgesetzt und auch einiges aus dem Buch geändert. Der Schnodderton der Stadt ist gut getroffen: „Gereon? Wo kommen Sie denn her, aus dem Mittelalter?“, fragt Charlotte, als sich der Kommissar mit Namen vorstellt. Nur manche Straßenszene und Autofahrt sehen ein bisschen nach Kulisse aus.
Die Serie kann an die sechs Staffeln lang werden, die dritte soll nächstes Jahr entstehen. Kutscher hat sechs Bücher geschrieben, er plant bis zum Jahr 1938. „Babylon Berlin“ beginnt im Jahr 1929 mit dem ersten Band, „Der nasse Fisch“, der in den zwei Staffeln mit 16 Folgen erzählt wird. Kommissar Rath verschlägt es aus Köln nach Berlin zur Sittenpolizei. Er bekommt es dort mit einem Pornoring zutun - und muss erst noch seine Rolle bei den neuen Kollegen finden.
Natürlich geht es um mehr: etwa um das Elend in den Armenvierteln, die Exzesse im Nachtleben und die Arbeit der Polizei in einer Stadt, die brodelt, um historische Ereignisse wie die Straßenschlacht im „Blutmai“. Rath hat ein Kriegstrauma, er braucht gegen das Zittern die kleinen Ampullen in seiner Tasche. Seine Kollegin Charlotte Ritter erfährt davon - sie hat aber selbst auch ein Geheimnis.
Die Serie ist ähnlich komplex wie das 500 Seiten dicke Buch. Wer „Babylon Berlin“ schon vor der Premiere sehen durfte, wurde gebeten, nicht zu „spoilern“, also zuviel zu verraten. Volker Kutscher findet die Serie „wunderbar“. Man habe das Gefühl, im alten Berlin auf der Straße zu sein, den Verkehr zu hören und die Atmosphäre zu spüren. Das könnten viele Zuschauer ähnlich sehen.