Dresdner Semperopernball: Jubel und ernste Worte
Dresden (dpa) - Toleranz-Appelle und Glitzer-Jubiläum: Inmitten der von Pegida entfachten gereizten Stimmung feierten Freitagabend rund 10 000 Gäste den 10. Dresdner Semperopernball - in und vor dem weltberühmten Gebäude.
Mit dem aktuell erweiterten Motto „Dresden jubelt und heißt die Welt willkommen“ gaben die Organisatoren dem Event zum Jubiläum eine besondere Richtung vor. Und sowohl Künstler als auch prominente Gäste stimmten im offiziellen Programm ein.
„Dresden ist ein Symbol des Friedens und der Freiheit geworden und nicht offen für Ausgrenzung und Hass“, betonte Hollywoodstar Armin Mueller-Stahl, der einen Text des Dichters Erich Kästner über das 1945 verloren gegangene alte Dresden las. Die Stadt stehe für die Forderung „Nie wieder!“, sagte der Schauspieler. „Und für dieses "Nie wieder" trägt jeder von uns Verantwortung. Alle.“
Weltoffenheit war das Wort des Abends, immer wieder betont und auch von den Moderatoren Gunther Emmerlich und Sophia Thomalla fast gebetsmühlenartig wiederholt. Selbst der Präsident des Senegal, Macky Sall, mahnte, die Vielfalt der Kulturen zu achten, gegen Extremisten zusammenzustehen, den Weg des Dialogs zu gehen, gemeinsame Werte zu teilen und Jeden in seinem Glauben anzunehmen. Er wurde für seine Verdienste um die Versöhnung von Christen und Muslimen in seinem Land mit dem Ballorden geehrt.
„Ich wünschte mir, unsere Gesellschaft wäre wie Musik - aus allen Quellen entsteht ein großes Ganzes“, sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman A. Mazyek, als Laudator. Auch der Chef der Glaubenskongregation im Vatikan, Gerhard Ludwig Kardinal Müller, warb für Toleranz und das Verbindende zwischen Christen, Juden und Muslimen. „Ich hoffe, dass von Dresden eine neue Epoche des Dialogs und der Zusammenarbeit ausgeht.“
Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) freute sich über „schöne Bilder“ vom Theaterplatz, wo vor knapp einer Woche noch Pegida mit Deutschlandfahnen und fremdenfeindlichen Transparenten demonstrierte. Auch der Leipziger Maler Neo Rauch war froh, „schöne Frauen und gut gekleidete Männer“ zu sehen statt Spruchbänder und Parolen. Indes holten Polizisten ein Schild mit der Aufschrift „Refugees welcome“ von der Quadriga auf dem Opernhaus. Es war der einzige Zwischenfall, wie ein Sprecher sagte.
Zu den rund 2300 Gästen im Saal gehörten auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), der letzte DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière, Verlegerin Friede Springer, Künstlerin und Rauch-Gattin Rosa Loy sowie Boxer Arthur Abraham, der extra für den Abend Tanzen gelernt hatte. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt schmetterten Tausende beim Open-Air-Ball vor dem Gebäude mit Dresden-Fan Roland Kaiser den für den Abend umgetexteten Kaiserwalzer von Johann Strauss (Sohn) und tanzten zum Programm, das auf Leinwand übertragen wurde.
Das war so bunt wie die Roben - von afrikanisch bis orientalisch: Klassische Oper und Dresdner Kreuzchor, spanischer Tanz und sibirische Klänge, russische Komposition und Afrika-Pop von Superstar Baaba Maal. Ganz traditionell drehten sich dann 100 Debütantenpaare im Dreivierteltakt, die Damen in strassbesetzten Gold-Kleidern, bevor die Tanzfläche kurz für alle freigegeben wurde. Um Mitternacht rockte Kaiser für eine Stunde das Haus - ganz in Manier der sommerlichen „Kaisermania“. Nach dem eher ernsten Auftakt lockerten seine Hits die Stimmung im und vor dem Opernhaus.
Zuvor hatten auch Diskuswerfer Robert Harting, Trompeter Ludwig Güttler, Schauspieler Wolfgang Stumph sowie die Topmodels Naomi Campbell und Nadja Auermann einen St. Georgs-Orden entgegengenommen. Die als Diva bekannte Campbell war mit Privatjet angereist, hatte nicht einmal ein Ballkleid angezogen und war nach knappen und vorgefertigten Dankesworten umgehend mit der Schatulle wieder abgerauscht - zum Flughafen.
Der Ballverein hatte angesichts der aktuellen Stimmung das geplante Motto „Dresden jubelt“ für das rund 1,8 Millionen Euro teure Spektakel erweitert, um das Image einer weltoffenen Stadt zu vermitteln. Da hätte die Ehrung von Iris Berben für ihr Engagement gegen Rassismus und Ausgrenzung, für Toleranz und Demokratie bestens gepasst. Indes hatte die Schauspielerin schon im Vorfeld Zweifel, ob es der richtige Zeitpunkt für eine Reise nach Dresden sei - und sagte dann kurzfristig ab.